Heißer Herbst nimmt Fahrt auf
Die Gewerkschaft vida fordert vom Sozialpartner Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) die rasche Aufnahme von Sonderkollektivvertragsverhandlungen für die Beschäftigten in allen für die vida relevanten Branchen. Neben den sowieso für Herbst anstehenden Verhandlungen, sollen KV-Verhandlungen, die erst 2023 terminisiert wären, bereits auf den kommenden Herbst vorgezogen werden. „So wie die Regierung gegensteuert, verpuffen die Entlastungsmaßnahmen gegen die Teuerung bei ganz vielen Menschen sehr schnell – Einmalzahlungen decken eben keine laufenden Kosten. Das Bestreiten des täglichen Lebens darf nicht zum Luxus werden“, stellt Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft vida, dazu im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien fest.
„Die Löhne müssen jetzt steigen, denn die Beschäftigten müssen mit ihren Einkommen gut auskommen und leben können.“
Roman Hebenstreit, vida-Vorsitzender
Die Gewerkschaft vida hat heute Mittwoch, den 14. September, Briefe mit entsprechenden Aufforderungen zu raschen teuerungsbedingten Sonder-KV-Verhandlungen an Wirtschaftskammerpräsident Mahrer und die für die Gewerkschaft als Verhandlungspartner maßgeblichen Fachverbände in der Wirtschaftskammer Österreich verschickt.
Lassen uns mit Einmalzahlungen nicht abspeisen
„Uns ist klar, die anstehenden Lohnrunden werden eine harte Auseinandersetzung. Aber es braucht jetzt steigende Löhne. Wir wollen als Gewerkschaft vida nicht länger warten. Lohnabschlüsse, die unter der rollierenden Inflation liegen, werden wir heuer nicht akzeptieren – die vida wird hierbei auch keine Arbeitskonflikte scheuen. Es braucht eine deutliche Reallohnerhöhung für alle“, so Hebenstreit weiter. Die Gewerkschaften verhandeln im Herbst den Ausgleich für die zurückliegenden Monate, und da wurde überhaupt keine Teuerung ausgeglichen. Im Gegenteil, da gab es Kurzarbeit und nicht selten auch Kündigungen. Die staatlichen Maßnahmen gegen die Teuerung und die geplante Abschaffung der kalten Progression sind keine Argumente für niedrigere KV-Abschlüsse. Steuerfreie Prämienzahlungen sind nicht nachhaltig und daher kein Ersatz für KV-Erhöhungen.
„Prämien sind nur zusätzlich ‚obendrauf‘ auf den KV-Abschluss willkommen. Mit Einmalzahlungen, die nicht nachhaltig wirken, lassen wir uns nicht abspeisen!“
vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit
Kaufkraft stärken: 2.000 Euro KV-Mindestlohn gefordert
„Die Kaufkraft der Menschen muss jetzt gestärkt werden. Es müssen wieder wirtschaftliche Stabilität und Zuversicht im Land geschaffen werden“, betont Hebenstreit. Daher fordert die vida auch die Verankerung von 2.000 Euro Bruttomindestlohn in den Kollektiverträgen für Branchen, die noch unter diesem Wert liegen: „Die Beschäftigten brauchen eine rasche, verlässliche und nachhaltige Lohnerhöhung. Es muss selbstverständlich sein, dass man von Vollzeitarbeit auch ohne Nebenjob leben kann: Wenn wir von 2.000 Euro brutto sprechen, dann entspricht das netto etwas mehr als 1.500 Euro.“ Zudem müssen auch die Lehrlingseinkommen flächendeckend und so rasch als möglich auf mindestens 1.000 Euro brutto im 1. Lehrjahr angehoben werden. Denn die rollierende Inflation der letzten 12 Monate (aktuell zwischen 6 und 7 Prozent) und die damit einhergehenden Kostenexplosionen bei Energie, Wohnen, Lebensmitteln und Mobilität werden auch für junge ArbeitnehmerInnen immer öfter zur finanziellen Überlebensfrage, verdeutlicht der vida-Gewerkschafter.
1.500 Euro netto im Monat für bescheidenes Leben benötigt
„Allein 1.060 Euro betragen die Mehrkosten im Jahr 2022 aufgrund der Teuerung. Und für ein bescheidenes Leben braucht in Österreich eine Person inflationsbereinigt zumindest 1.500 Euro Nettoeinkommen im Monat.“
Helmut Gruber, Landesvorsitzender vida Wien
Dieser Betrag entspricht dem sogenannten Referenzbudget, das in Österreich von der staatlich anerkannten Schuldnerberatung erstellt wird. Es zeigt die finanzielle Untergrenze dessen, was es braucht, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.
Menschen vor Abrutschen in die Armut schützen
Die Gewerkschaft vida ist für Kollektivverträge zuständig, da verdient man im Monat für Vollzeitarbeit in vielen Berufen noch keine 1.500 Euro netto als Basislohn. Konkret betrifft dies u.a. Reinigungskräfte (1.360 Euro netto im Monat), FriseurInnen (1.290 Euro netto im Monat), Arbeitskräfte im Hotel- und Gastgewerbe (1.325 Euro netto im Monat), in der Bewachung (1.373 Euro netto im Monat), in privaten Gesundheitseinrichtungen (1.407 Euro netto im Monat) genauso wie auch in der Pflege (1.383 Euro netto im Monat). Und: In der Reinigung verdienen gar 99 Prozent der Beschäftigten unter 2.000 Euro brutto. „Das macht deutlich, dass 2.000 Euro brutto im Monat keine unverschämte Forderung sind, sondern bitter benötigt werden, um im Jahr 2022 sich in Österreich das Leben gerade noch leisten zu können und um nicht unter die aktuelle Armutsgrenze von knapp 1.400 Euro netto im Monat zu rutschen“, so Gruber.
Menschen müssen ihre laufenden Kosten decken können
Die Teuerung trifft jeden. Wir alle haben unsere Ausgaben auf unser Einkommen ausgelegt. Bei gleichbleibendem Einkommen konnte man sich im letzten halben Jahr immer weniger damit leisten. Viele Betroffene können die Teuerung bei Produkten und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs, bei laufenden Zahlungsverpflichtungen für Mieten und Energie sowie für Mobilitätskosten nicht mehr stemmen.
Einmalaktionen können mit Teuerung nicht mithalten
„Dem entstandenen Kaufkraftverlust und Konsumverzicht tragen die bisher angekündigten Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung (überwiegend Einmal- und Gutscheinaktionen) in keiner Weise Rechnung. Damit lassen sich keine laufenden Kosten decken. Man denke nur an Betroffene, die auch noch laufende Kredite begleichen müssen“, kritisiert Gruber. Denn es sind ja nicht nur die Kosten für Strom rapide angestiegen. Auch die Kosten für Gas, Heizöl, Lebensmittel, Treibstoffe oder Baustoffe befinden sich in schwindelerregenden Höhen. Ein Zehntel der Haushalte gibt bereits fast die Hälfte seines Budgets für Wohnen aus und hat demnach auch entsprechend weniger für Mobilität, Lebensmittel und Heizen zur Verfügung.
„Viele Menschen stehen schon vor dem Abgrund. Wir müssen daher jetzt vor dem Absturz bewahren und ihre Existenzen sichern."
vida-Wien-Landesvorsitzender Helmut Gruber
Druck steigt: Es braucht sofort mehr Geld!
„In der Bewachung verdienen 90 Prozent der Beschäftigten bei einem 40-Stunden-Job unter 2000 Euro brutto, gut 50 Prozent sogar nur 1700 Euro brutto. 84 Prozent der Kolleginnen und Kollegen brauchen ihr Urlaubs- und Weihnachtsgeld zur Ausgleichung des Minus am Konto."
Gernot Kopp, stv. Betriebsratsvorsitzender bei der Securitas SDL GmbH
Die Rechnungen für Strom, Gas oder Lebensmittel bringen die Menschen jetzt endgültig an die Existenzgrenze. Die Menschen können sich ihr Leben nicht mehr leisten. Nicht umsonst wurde in der Branche zuletzt vermehrt um Lohnvorschuss bzw. Unterstützungen angesucht. "Der Druck steigt und steigt. Es braucht sofort mehr Geld“, unterstreicht Kopp.
Erspartes aufgebraucht, viele trotz Vollzeitjob armutsgefährdet
„Die Kolleginnen und Kollegen in der Gastronomie sind in den vergangenen zweieinhalb Jahren aufgrund von Lockdowns mehrmals unverschuldet vor verschlossenen Türen ihrer Betriebe gestanden. Viele waren bis vor wenigen Monaten in Kurzarbeit und mit 20-prozentigen Gehaltseinbußen konfrontiert.“
Eva Eberhart, Betriebsratsvorsitzende der Nordsee GmbH
Nordsee-Betriebsrätin Eberhart schlägt Alarm: „Das Ersparte ist bei vielen aufgebraucht und dem nicht genug, flattern seit Monaten Rechnungen für Strom und Gas ins Haus, die aufgrund der Höhe niemand mehr bezahlen kann. Der Druck ist enorm. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen sind armutsgefährdet, obwohl sie einem Vollzeitjob nachgehen."
Akute Existenzängste, vor allem unter den jungen Menschen
„Durch meine Tätigkeit als Trainerin im New Talents Studio in Wien bekomme ich von den jungen Menschen, die eine Ausbildung im Friseur- und Haarpflegebereich machen, Tag für Tag mit, dass sich Familien ihr Leben nicht mehr leisten können.“
Tanja Niedermaier, Trainerin New Talents Studio Wien
New Talents-Trainerin Niedermaier betont: „Es gibt akute Existenzängste, vor allem unter den jungen Menschen, die sich bei uns mit freiem Kopf auf die Lehrabschlussprüfungen vorbereiten sollten. Die mentale Komponente darf nicht unterschätzt werden, immerhin jagt eine Krise die andere – das ist gerade für junge Menschen nur schwer verarbeitbar. Und dabei hat die Ausbildung der Jugendlichen durch die Pandemie und Lockdowns ohnehin schon sehr gelitten."
Weitere vida-Forderungen an die Bundesregierung
- Öffentliche Mobilität ausbauen und erschwinglicher machen
- Umsatzsteuer auf alle Öffi-Tickets abschaffen
- Armutsbekämpfung durch Sondersteuer auf Übergewinne von Energieunternehmen – bis zu 2,2 Mrd. Entlastungsvolumen
- Preiskommission „mit Biss“, die zur Senkung der Lebensmittelpreise auch in die Preisgestaltung eingreifen kann und nicht nur beobachtet.
- Senkung der Steuern auf Treibstoffe auf Zeit
- Neben dem Energiepreisdeckel für Strom, der von der Bundesregierung eingeführt wird, braucht es auch u.a. einen für Gas- und Ölrechnungen. Es geht auch um Warmwasser und Heizung und nicht nur um die Stromversorgung.
- Miet-Preisspirale bremsen durch Rücknahme der aktuellen Mietsteigerungen und Einführung einer gesetzliche Mietobergrenze
- Erhöhung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld von 55 auf 70 Prozent
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