Betriebsratskandidatin in kirchlichem Pflegebetrieb gekündigt
"Wir respektieren jeden Menschen in seiner Würde und Einzigartigkeit.“ Damit wirbt das Haus der Barmherzigkeit auf seiner Website. Ob das auch im Umgang mit seinen Beschäftigten gilt? Ein aktueller Rechtsfall zeugt jedenfalls nicht von jener Nächstenliebe, mit der das kirchliche Pflegehaus sich brüstet.
Worum geht es? Gerlinde N. ist seit 2011 bei der Wirtschaftsbetriebe GmbH im Haus der Barmherzigkeit beschäftigt. Die 49-Jährige arbeitet als Reinigungskraft im niederösterreichischen Pflegeheim Clementinum, das ebenfalls zur Unternehmensgruppe gehört und somit unter der Patronanz der Erzdiözese Wien steht. Das Haus der Barmherzigkeit hat einen Betriebsrat, der jedoch nicht für das Reinigungspersonal zuständig ist. Für den Wirtschaftsbetrieb mit seinen rund 120 Beschäftigten auf verschiedenen Standorten ist bislang kein Betriebsrat eingerichtet. Gerlinde N. machte sich für die Gründung eines Betriebsrats stark und wurde schlussendlich gekündigt.
Mehr Arbeit, gleicher Lohn
Wie kam es dazu? Begonnen hatte alles kurz vor Weihnachten mit einer neuen Stellenbeschreibung für die Reinigungskräfte – mit „mehr Aufgaben für gleich viel Geld“. Unter massivem Druck, unter anderem Kündigungsandrohung, unterschrieben sechs von acht betroffenen Beschäftigten die Vereinbarung, zwei jedoch nicht, unter ihnen Gerlinde N. Die 49-jährige Reinigungskraft nahm den Konflikt zum Anlass und engagierte sich für die Gründung eines Betriebsrats. „In unserem Job stehen wir tagtäglich unter körperlichen, zeitlichen und emotionalen Belastungen. Die Arbeit ist in den letzten Monaten immer mehr geworden – der Lohn aber nicht. Es musste etwas getan werden. Daher habe ich mich dazu entschlossen, mich als Betriebsrätin aufstellen zu lassen und für die Rechte der Beschäftigten zu kämpfen“, erzählt Gerlinde N.
Zankapfel Betriebsratswahl
Gerlinde N. verständigte am 25. Jänner 2013 die Betriebsleitung von der Einberufung einer Gruppenversammlung zur Wahl des Wahlvorstandes, die Ende Februar stattfinden sollte. Rund zwei Wochen später, am 12. Februar bekam die Beschäftigte die Kündigung ins Haus, wonach unter einer sechswöchigen Kündigungsfrist das Dienstverhältnis zum 31. März beendet sei. Einen Tag darauf, also am 13. Februar folgte die Dienstfreistellung mit sofortiger Wirkung. Für die Gewerkschaft vida, die Gerlinde N. in ihrem Rechtskampf unterstützt, ist ganz klar: die Kündigung erfolgte als Motivkündigung. Sie wurde insbesondere deshalb ausgesprochen, weil Gerlinde N. an der kommenden Betriebsratswahl teilnehmen wollte.
Nächstenliebe auch für Personal
Trotz massiver Einschüchterungsversuche der Geschäftsleitung fand die Gruppenversammlung am 21. Februar mit der Wahl des Wahlvorstandes statt. Dabei trat Gerlinde N. an und wurde in weiterer Folge als Betriebsrätin gewählt. Unterstützung bekommt Gerlinde nicht nur seitens Gewerkschaft, sondern auch von Dr. Bozena Cichozki, Zentralbetriebsratsvorsitzende im Haus der Barmherzigkeit. „Es ist ein Armutszeugnis für ein Unternehmen, das Barmherzigkeit im Firmennamen trägt und der Kirche unterstellt ist, Betriebsratswahlen derart zu torpedieren. Ich erwarte mir, dass die Lebensqualität und die christliche Nächstenliebe, mit denen das Haus der Barmherzigkeit wirbt, auch für den Umgang mit den Beschäftigten gelten.“
Konflikt vor Gericht
vida hat die Kündigung der Betriebsratskandidatin vor Gericht angefochten. Ein erster Prozesstermin ist für 23. April angesetzt. Wir halten Sie auf dem Laufenden.