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Gewerkschaft vida sieht EU-Eisenbahnliberalisierung gescheitert

ÖVP und EU-Kommission haben sich damit selbst „faules Ei“ gelegt – Fahrgäste und Beschäftigte baden das mit teuren Tickets und Sozialdumping aus

Die EU-Eisenbahnliberalisierung mit Dumping-Wettbewerb auf Kosten der Bahnbeschäftigten betrachtet Gerhard Tauchner, Vorsitzender des Fachbereichs Eisenbahn als offensichtlich gescheitert. Auch den Fahrgästen habe es nicht viel gebracht: Fliegen ist billiger als Zugfahren, auch Privatbahnbetreiber erhöhen die Preise. „Ich begrüße und verstehe gut die Bemühungen der ÖVP um ein einheitliches und transparentes europäisches Ticketsystem“, nimmt Tauchner auf einen „Kurier“-Artikel vom Wochenende Bezug. „Viel Hoffnung sehe ich da allerdings nicht. Die Liberalisierungstreiber der ersten Stunde, ÖVP und EU-Kommission, haben sich selbst ein ‚faules Ei‘ gelegt. Denn die unterschiedlichen Ticketsysteme sind ein Auswuchs von Marktliberalisierung und Wettbewerb.“ Allein im liberalisierten deutschen Schienenverkehrsmarkt stünden mehr als 300 Personenverkehrsbetreiber im Wettbewerb. „Man stelle sich nur vor, die Politik will für 300 Gastronomiebetriebe im Wettbewerb eine einzige Speisekarte mit klarer Preisgestaltung schaffen. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit“, gibt der vida-Gewerkschafter zu bedenken.        
Arbeitsbedingungen und Einkommen habe sich in vielen EU-Ländern durch die Liberalisierung schon verschlechtert. „Nicht zuletzt deswegen kämpfen die durch den Wettbewerb und Ausschreibungen zum Sparen gezwungenen Bahnen längst auch mit massivem Personalmangel, Zugausfällen und Verspätungen. Die Beschäftigten leiden unter einer Überstundenflut“, kritisiert Tauchner.   

„Eine zukunftsfähige Verkehrspolitik auf europäischer Ebene muss die Schiene gegenüber der Straße und der Luftfahrt weiter stärken! Das geht mit für alle Gesellschaftsschichten erschwinglichen Fahrkarten, besser und grenzüberschreitender Abdeckung und intelligent vernetzten Fahrplänen. Das ist aus sozialer Sicht unabdingbar und hilft uns, die Ziele eines nachhaltigen Mobilitätsmixes zu erreichen. Liberalisierung und Ausschreibungszwang bringen uns jedenfalls der Verbesserung und Transparenz des Angebots kein Stück näher“, plädiert Tauchner für die bewährte Direktvergabe anstelle von Ausschreibungszwang von Verkehrsleistungen im Schienenpersonenverkehr.

„In Österreich und in Europa werden über 80 Prozent der Schienenpersonenkilometer über Direktvergabe organisiert und finanziert. Eine Änderung hin zu einer von der EU-Kommission angestrebten Ausschreibungspflicht wäre ein massiver Eingriff in die Stabilität des gut funktionierenden öffentlichen Verkehrs in Österreich. Das hätte zudem weitere gravierende negative Auswirkungen auf die Bahnbeschäftigten und deren Arbeitsbedingungen“, warnt Tauchner.

Die Gewerkschaft vida hat auf europäischer Ebene seit Jahren immer wieder Initiativen für Bahnsicherheit gegen die von der EU-Kommission geplante Absenkung von Ausbildungsniveaus gesetzt. „Wir setzen uns für gemeinsame hohe Ausbildungsstandards nach dem Vorbild der österreichischen Eisenbahn Eignungs- und Prüfungsverordnung (EisbEPV) für ganz Europa ein“, so Tauchner. Auch verpflichtende Arbeitszeitaufzeichnung bei den Bahnen und die Kontrolle dieser durch die Behörden seien für einen sicheren Betrieb unerlässlich. „Wir würden uns sehr freuen, wenn auch die ÖVP gemeinsam mit uns diesbezügliche Initiativen auf europäischer Ebene setzen würde, wie dies schon beispielsweise die SPÖ bezüglich des Erhalts der Direktvergabe und bei der PSO-Verordnung mit uns getan hat. Ich könnte mir zu diesen dringlichen Eisenbahnthemen auch einen Bahngipfel mit den Parteien unter Einbindung von Expert:innen gut vorstellen“, betont Tauchner abschließend.