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vida-Hebenstreit und Volkshilfe-Fenninger kritisieren bei Tagung Stillstand in der Pflegereform

Ohne massive Finanzmittel droht Systemkollaps: Existenzen in Pflege-, Betreuungs- und Sozialberufen sowie während der Ausbildung absichern

Kritik an der Bundesregierung übten Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft vida, und Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich und Vorsitzender der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ), wegen des seit Jahren anhaltenden Stillstands in der Pflegereform. Die Bedingungen müssen sowohl für die zu pflegenden und zu betreuenden Menschen als auch für die Beschäftigten dringend verbessert werden, sonst drohe das System zu kollabieren, ein Pflegenotstand würde eintreten. Zehntausende Beschäftigte drohten in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zu fehlen. Es müssten daher umgehend massiv mehr finanzielle Mittel und bezahlte Ausbildungsmöglichkeiten für die Beschäftigten zur Verfügung gestellt werden. Nicht zuletzt bedürfe es auch angesichts der explodierenden Teuerung dringend mehr Wertschätzung in Form besserer existenzsichernder Ausbildungs- und Entlohnungsbedingungen für die Pflege-, Betreuungs- und Sozialberufe, forderten Hebenstreit und Fenninger bei der Tagung „Lehren aus der Pandemie für Pflege und Betreuung“ in Wien.

Gerade die Corona-Pandemie habe auf viele unserer Lebensbereiche massive Auswirkungen gehabt und den Menschen viele Unzulänglichkeiten, aber auch wie systemrelevant die rund 400 Mitgliedsbetriebe und -vereine des SWÖ samt den darin über 100.000 Beschäftigten für die Menschen sind, vor Augen geführt, waren sich Fenninger und Hebenstreit bei der von vida und vom AK Wien Fachausschuss Gesundheits- und Sozialberufe organisierten Veranstaltung einig. Bei der Tagung diskutierten rund 200 heimische und internationale TeilnehmerInnen notwendige Maßnahmen für die Zukunft in der Pflege und Betreuung.  

„Es ist mir völlig unverständlich, dass die Politik noch immer nicht reagiert und noch immer nicht mehr Mittel für Arbeits- und Ausbildungsplätze bereitstellt“, kritisiert Fenninger. Denn derzeit sei es so, dass sich am Beruf Interessierte die Ausbildung selbst finanzieren müssten. „Das muss sich erst einmal jemand leisten können. Aber auch die Betriebe selbst müssen mit mehr finanziellen Mitteln ausgestattet werden, um sich für ihre Beschäftigten eine bessere Bezahlung leisten zu können. Die angekündigte Pflegereform und die Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel müsse daher endlich in die Gänge kommen“, fordert der SWÖ-Vorsitzende.  

„Pflege und Betreuung sind ein Menschenrecht. Jeder Mensch hat seine Würde. Unabhängig davon, in welchem körperlich-geistig-seelischen Zustand er sich befindet, muss diese Würde garantiert sein“, betonte Hebenstreit weiter. Der vida-Vorsitzende fordert daher auch die Etablierung einer österreichweiten evidenzbasierten Personalbedarfsberechnung und verbindliche Kriterien für die Personaleinsatzplanung als Sofortmaßnahme. Denn Beschäftigte sollten keine psychisch und physisch stark belastenden Nachtdienste mehr allein leisten müssen. „Bei allen Herausforderungen in den Pflege- und Betreuungsberufen muss für die Beschäftigten ein gutes Leben ohne finanzielle Sorgen möglich sein. Und schließlich müssen diese für die Gesellschaft und die Menschen unersetzlichen und wertvollen Berufe auch Freude machen“, bekräftigt der vida-Vorsitzende.

Unter dem Motto „Pflege unterm Regenbogen“ warf die Tagung darüber hinaus auch ein Licht auf die Situation der Pflege und Betreuung von Menschen aus dem Bereich LSBTIQ. Der deutsche Diplom Sozialwissenschaftler Markus Schupp betonte, dass sich auf Pflege und Betreuung angewiesene Menschen aus dem Bereich LSBTIQ insbesondere in der Altenpflege vielfach auch aufgrund mangelnden Wissens oder nicht entsprechender Ausbildung des Personals Diskriminierungen aussetzen müssten. Um dem vorzubeugen, fordert Schupp, dass die Thematik der sexuellen und geschlechtlichen Vielfältigkeit in die Ausbildung einfließen müsse, damit es zu einer entsprechenden Sensibilisierung des Personals hinsichtlich LSBTIQ kommt. Aber auch mit einfachen Mitteln könne hier Abhilfe geschaffen werden, berichtete Schupp von konkreten Versuchen in Deutschland wie dem Anbringen von Regenbogen-Aufklebern an den Türen. „Das kann bereits zu einem respektvollen gemeinsamen Umgang beitragen“, so Schupp.