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Wir haben keinen Arbeitskräftemangel – wir haben einen Lohnmangel

Warum Mangelberufsliste und Rot-Weiß-Rot-Card das Problem nicht lösen.

Arbeitsmarkt

Gerhard Deutsch

Die Aussagen des Wirtschaftsbundes zur aktuellen Arbeitsmarktlage stoßen bei der Gewerkschaft vida auf scharfe Kritik. Für Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft vida, ist klar: Solange Löhne unter der Inflationsrate steigen, sind Klagen über fehlende Arbeitskräfte unglaubwürdig. Und solange Unternehmen an niedrigen Löhnen festhalten, werden weder Rot-Weiß-Rot-Card noch Mangelberufsliste die strukturellen Probleme lösen.

Roman Hebenstreit Portraitbild
„Über Arbeitskräftemangel jammern und Lohnerhöhungen unter der Inflationsrate begrüßen – das passt nicht zusammen.“
Roman Hebenstreit
vida-Vorsitzender

Deutliche Worte findet Hebenstreit zu den jüngsten Aussagen des Wirtschaftsbundes:
Über Arbeitskräftemangel jammern, und Lohnerhöhungen unter der Inflationsrate begrüßen, das passt nicht zusammen. Da werden auch die Rot-Weiß-Rot-Card und die Mangelberufsliste die Probleme am Arbeitsmarkt nicht lösen.

Wer so die Kaufkraft schwäche, betreibe keine aktive Arbeitsmarktpolitik – sondern schlicht Lohndrückerei. Das sei in einer Situation besonders fatal, in der die Zahl der Arbeitsuchenden erneut auf nahezu 400.000 gestiegen ist.

Kein Arbeitskräftemangel – sondern „Preisverfall der Arbeit“

Bleiben Löhne in Mangelberufen unter der Inflationsrate, könne man nicht von echter Knappheit sprechen, betont Hebenstreit.
Sinke der Lohn kaufkraftbereinigt, dann sei dies ein eindeutiges Signal, dass es keinen Arbeitskräftemangel, sondern nur einen fehlenden Willen gebe, faire Löhne zu zahlen“, kritisiert der vida-Vorsitzende.

Angesichts dieses „Preisverfalls der Arbeit“ brauche es eine klare politische Kurskorrektur.

vida fordert 180-Grad-Wende in der Arbeitsmarktpolitik

Damit der österreichische Arbeitsmarkt wieder funktioniert und Branchen für Beschäftigte attraktiv bleiben, fordert die Gewerkschaft ein Umdenken. Im Mittelpunkt stehen faire Löhne, Qualifizierung und der verantwortungsvolle Umgang mit Steuergeld.

1. Mangelberufsliste neu denken

Berufsgruppen sollen aus der Mangelberufsliste gestrichen werden, wenn ihre Branchen Kollektivverträge unter der Inflation abschließen. Wer nicht bereit ist, faire Löhne zu zahlen, darf nicht von erleichterter Zuwanderung profitieren.

2. Kaufkraft sichern

Löhne müssen künftig über der Inflation liegen – als Voraussetzung, um Fachkräfte im Inland zu halten, Menschen wieder in die Branchen zu holen und das Sozial- und Pensionssystem stabil zu finanzieren.

3. Fokus auf Ausbildung statt Lohndumping

Investitionen in die Qualifizierung der heimischen Arbeitskräfte müssen Vorrang haben. Arbeitsmigration darf nicht als Werkzeug missbraucht werden, um das Lohnniveau zu drücken.

„Die Mangelberufsliste verkommt zur Subventionsliste für Lohndumping“

Deutlich wird Hebenstreit beim Einsatz öffentlicher Mittel:
Wir können nicht zulassen, dass Millionen an Steuergeldern für die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte verschleudert werden, während in Österreich selbst das Lohnniveau in den Keller fällt und die Arbeitslosigkeit steigt.

Eine Liste, die eigentlich Knappheit abbilden soll, werde so zur politischen Einladung für Lohndumping.

„Wir haben einen Lohnmangel – keinen Arbeitskräftemangel“

Roman Hebenstreit fordert mehr Ehrlichkeit in der Debatte:
Der Wirtschaftsbund soll aufhören ‚Pi mal Daumen-Rechnungen‘ über einen flächendeckenden Arbeitskräftemangel anzustellen. Stattdessen soll er endlich zur Kenntnis nehmen, dass wir einen Lohnmangel haben.

Seit zwei Jahrzehnten steigen Löhne in Österreich nur moderat – und vor allem zugunsten der Spitzenverdiener. Für die Beschäftigten in unteren und mittleren Einkommensgruppen bleibt unterm Strich zu wenig übrig.

 

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