Teilzeit im Tourismus: vida kritisiert gelebte Praxis der Arbeitgeber
In der Tourismusbranche nutzen Unternehmen Teilzeit als flexibles Sparmodell – ein strukturelles Hindernis für Frauen, die mehr arbeiten wollen.
Tourismus
In der Hochsaison laufen Küche und Service auf Hochtouren: Tische sind voll, Hotels ausgebucht, der Sommer bringt den dringend benötigten Umsatz. Für die Beschäftigten bedeutet das harte Arbeit und lange Dienste. Kaum flaut die Saison ab, zeigt sich ein anderes Bild: Viele Arbeitgeber stellen ganzjährig Beschäftigte nur in Teilzeit an oder kürzen Stunden nach Belieben. „Arbeitgeber drängen Beschäftigte von Vollzeit in die Teilzeit, weil die Sommersaison zu Ende geht“, kritisiert Eva Eberhart, Fachbereichsvorsitzende Tourismus in der Gewerkschaft vida und Betriebsrätin bei Nordsee. „Damit wälzen sie das Risiko ihres Geschäftsmodells auf die Arbeitnehmer:innen ab und schieben ihnen in der aktuellen Teilzeitdebatte auch noch den Schwarzen Peter zu.“
Gelebte Praxis: Flexibilität auf Kosten der Beschäftigten
Besonders deutlich wird dieses Ungleichgewicht in wetterabhängigen Betrieben wie Bädern oder Ausflugslokalen. Wenn die Sonne nicht scheint, werden Mitarbeiter:innen kurzerhand nach Hause geschickt. Auch der Schulbeginn zeigt die strukturellen Barrieren für Frauen: Fehlt eine flächendeckende Nachmittagsbetreuung, bleibt oft nur Teilzeit.
„Ich spreche tagtäglich mit Beschäftigten in ganz Österreich. Viele Frauen wollen Vollzeit arbeiten, aber die Arbeitgeber verhindern das systematisch, weil Teilzeit für sie flexibler und billiger ist.“
Zahlen & Fakten: Teilzeit im Tourismus liegt klar über dem Schnitt
Die Daten bestätigen diese Erfahrungen. Im Jahresdurchschnitt 2023 lag die Teilzeitquote in Beherbergung und Gastronomie bei 39,2 % – deutlich über dem Wert über alle Branchen von 31,6 %. Auffällig ist zudem der hohe Männeranteil in Teilzeit: 24,8 % der Männer im Tourismus arbeiteten 2023 Teilzeit (alle Branchen: 12,9 %). Diese Werte basieren auf Auswertungen der Arbeitskräfteerhebung von Statistik Austria.
Auch international zeigt sich das Muster: In der EU lag der Anteil der Teilzeitbeschäftigten unter Frauen 2023 bei rund 28 %, bei Männern bei 8 %. In Österreich beträgt die Teilzeitquote 2023 50,6 % bei Frauen und 13,4 % bei Männern.
Zur Einordnung der Lebensrealität: Teilzeit bedeutet in Österreich im Schnitt rund 22 Wochenstunden tatsächlich geleistete Arbeitszeit – zu wenig, um langfristig ein existenzsicherndes Einkommen und ausreichende Pensionsansprüche aufzubauen.
Recht gilt – doch wird oft umgangen
Hinzu kommt, dass viele Arbeitgeber den Kollektivvertrag ignorieren. Wer am Ende eines Durchrechnungszeitraums regelmäßig die vereinbarte Wochenarbeitszeit um mindestens 20 % überschreitet, kann eine Erhöhung des vereinbarten Stundenausmaßes verlangen – eine klare Regel im Hotel- und Gastronomie-KV. „Mit dem Hotel- und Gastronomie-KV haben wir klare Regelungen geschaffen, um Vollzeit leichter erreichbar zu machen. Doch solange Arbeitgeber ihre Belegschaften bewusst in Teilzeit halten, nützt das den Beschäftigten wenig“, so Eberhart.
Forderungen der vida: Planbarkeit, Respekt, Betreuung ausbauen
Die vida fordert ein Ende dieser Praxis. Erstens braucht es die konsequente Durchsetzung der bestehenden Kollektivvertragsrechte – inklusive rascher Stundenaufstockungen, wo diese zustehen. Zweitens sind bessere Betreuungseinrichtungen nötig, damit Familie und Beruf tatsächlich vereinbar sind. Drittens muss das stigmatisierende „faul“-Narrativ gegenüber Beschäftigten beendet werden. „Es ist respektlos, Menschen, die im Sommer für volle Restaurants und Hotels sorgen, im Herbst zu reduzieren und gleichzeitig als arbeitsscheu darzustellen“, betont Eberhart. Viertens verlangt die vida mehr Planbarkeit und Sicherheit – statt saisonaler Zumutungen und einseitiger Flexibilität zugunsten der Unternehmen.
„Die Beschäftigten im Tourismus arbeiten hart und halten die Branche am Laufen. Es ist höchste Zeit, dass sie die Stunden und die Anerkennung bekommen, die sie verdienen.“
FAQ
Saisonabhängigkeit, schwankende Nachfrage und fehlende Kinderbetreuung begünstigen Teilzeitmodelle – oft zulasten der Beschäftigten.
Ja, wenn im Durchrechnungszeitraum regelmäßig mind. 20 % über der vereinbarten Wochenarbeitszeit gearbeitet wurde, kann eine Erhöhung verlangt werden (Hotel- & Gastronomie-KV).
Österreich hat eine besonders hohe Teilzeitquote bei Frauen (2023: 50,6 %); EU-weit lag der Wert 2023 bei ~28 %.
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