Gerhard Tauchner neuer Präsident der ETF-Sektion Eisenbahn
vida-Gewerkschafter will Arbeitsdruck reduzieren, Sicherheit erhöhen und Wettbewerbsfairness im europäischen Bahnsektor durchsetzen.
ETF
Der österreichische Eisenbahngewerkschafter Gerhard Tauchner (vida) übernimmt eine der wichtigsten Funktionen im europäischen Bahnsektor: Er wurde am Dienstag in Brüssel einstimmig zum Präsidenten der Sektion Eisenbahn der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF) gewählt. In diesem Gremium sind 63 Gewerkschaften aus 38 Ländern vertreten – ein starkes Zeichen für europäische Solidarität in einem zunehmend liberalisierten System.
Ein „Herzensanliegen“: Zusammenarbeit gegen Liberalisierungsdruck
Seit 2011 ist Tauchner in der ETF-Sektion aktiv, seit 2022 auch Mitglied des Präsidiums. Die Wahl wertet er als Auftrag, die europäische Zusammenarbeit weiter zu stärken.
Der Kurs der EU-Kommission sei klar auf Marktöffnung und Wettbewerb ausgerichtet – mit drastischen Folgen für Beschäftigte.
„Die europäische Gewerkschaftszusammenarbeit sei ihm nicht nur ein ‚Herzensanliegen‘. Angesichts des politischen Kurses der Europäischen Kommission pro Liberalisierung und Wettbewerb im Eisenbahnsystem und des dadurch entstandenen zusätzlichen Drucks auf die Arbeits- und Sozialbedingungen sei Zusammenarbeit ‚unersetzlich‘,“ sagt Tauchner und bedankt sich bei den Delegierten.
„Diesen Entwicklungen können wir uns nur gemeinsam als ETF entgegenstemmen. Wir setzen dabei vordergründig auf den sektoralen sozialen Dialog in Europa. Sollten Konflikte mit den Arbeitgebern aber unausweichlich werden, werden wir diese nicht scheuen.“
Digitale Arbeitszeiterfassung: Sicherheit und Entlastung fürs Zugpersonal
Als gelernter Lokführer kennt Tauchner die Belastungen des grenzüberschreitenden Bahnverkehrs aus erster Hand. Besonders dringlich ist für ihn eine europaweit moderne und fälschungssichere Arbeitszeiterfassung.
„Wir brauchen Möglichkeiten, um die Arbeitszeiten erfassen und kontrollieren zu können. Damit wollen wir Druck von den Beschäftigten nehmen und die Sicherheit im Eisenbahnbetrieb stärken. Beides gelingt nur mit fälschungssicheren Aufzeichnungsmöglichkeiten.“
Eine moderne digitale Erfassung würde Manipulationen verhindern, Ruhezeiten sichern und die Verantwortung nicht länger auf einzelne Beschäftigte abwälzen – ein zentraler Schritt für faire Arbeitsbedingungen im europäischen Bahnverkehr.
Hohe Ausbildungsstandards europaweit sichern
Noch immer unterscheiden sich Dauer und Inhalte der Ausbildung in den EU-Ländern massiv. Tauchner fordert eine Harmonisierung – aber ausschließlich auf hohem Niveau.
„Keinesfalls darf dies bedeuten, dass Ausbildungsstandards oder Sprachanforderungen gesenkt werden. Denn das gefährdet nur gute Arbeitsbedingungen und die Eisenbahnsicherheit.“
Damit grenzt sich die Gewerkschaft klar gegen Bestrebungen ab, durch niedrigere Standards Personalengpässe künstlich zu „lösen“.
Schienengüterverkehr unter Druck: Einzelwagenverkehr retten
Besonders dramatisch ist die Lage im Güterverkehr: Der Einzelwagenverkehr, ein Rückgrat der klimafreundlichen Logistik, wird durch billigere LKW-Konkurrenz systematisch verdrängt.
„Hier braucht es endlich faire Wettbewerbsbedingungen zwischen Schiene und Straße“, fordert Tauchner.
Ohne politisches Gegensteuern drohen europaweit tausende Jobs zu verschwinden – ein fatales Signal für Beschäftigte und Klimaziele.
Direktvergaben verteidigen: Gegen Sozialdumping im Personenverkehr
Im Personenverkehr stemmt sich Tauchner gegen das Dogma eines reinen Ausschreibungswettbewerbs.
„Ausschreibungswettbewerbe, die sich rein am billigsten Bieter orientieren, bergen die Gefahr von Sozialdumping für die Beschäftigten und mangelnder Sicherheit für alle im System Eisenbahn.“Präsident der ETF-Sektion Eisenbahn
Die Direktvergabe ermögliche dagegen stabile Qualität, verlässliche Arbeitsbedingungen und langfristig sichere Mobilität.
„In Brüssel werden die Entscheidungen gefällt“
Abschließend betont Tauchner die Bedeutung europäischer Mitbestimmung:
„Gemeinsam müssen wir die Interessen der Beschäftigten auf europäischer Ebene weiter stärken. Denn in Brüssel werden die Entscheidungen gefällt, welche sich direkt auf die Arbeitsbedingungen der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner vor Ort auswirken.“