Verhandlungen am grünen Tisch sind wichtig – aber sie wirken nur, wenn hinter ihnen viele Menschen stehen. Gegenmacht heißt: Wir organisieren uns und setzen gemeinsam durch, was fair ist. Gerade jetzt.
Was „gewerkschaftliche Gegenmacht“ bedeutet
Gewerkschaften nutzen zwei Hebel: Gestaltungsmacht (Einfluss, Mitbestimmung, Verhandlungen) – und Gegenmacht (Mobilisierung, Kampagnen, Arbeitskämpfe). Beides gehört zusammen. Gegenmacht ist dabei das Organisieren kollektiven Widerstands gegen politische und wirtschaftliche Zumutungen, die menschenwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen im Weg stehen. Kurz: Wenn Türen zu bleiben, öffnen wir sie gemeinsam.
Von der Sozialpartnerschaft zur Gegenmachtfähigkeit
Nach 1945 sorgte die Sozialpartnerschaft jahrzehntelang für Ausgleich: Löhne und Gehälter stiegen über Kollektivverträge, Mitbestimmung in den Betrieben wurde ausgebaut, sozialpolitische Verbesserungen umgesetzt. Doch gesellschaftliche und politische Verschiebungen – nicht zuletzt neoliberale Konzepte – haben diese Konsenskultur unter Druck gesetzt. 2018 wurden etwa 12-Stunden-Tage und 60-Stunden-Wochen ohne echte Einbindung der Arbeitnehmer:innenvertretungen ermöglicht – ein Signal: Ohne Druck von unten gibt es oben wenig Einsicht.
Dass Teile der Wirtschaft Sozialpartnerschaft als Störfaktor sehen, zeigen Zitate aus den 2010er-Jahren („Die Sozialpartnerschaft ist tot. Sie weiß es nur noch nicht.“ ehem. Finanzminister und Unternehmer Hans-Jörg Schelling ÖVP). Die Antwort der Gewerkschaftsbewegung darauf: Verhandeln, wo möglich – mobilisieren, wo nötig.
Einflusslogik vs. Mitgliedschaftslogik
Lange wirkte Gewerkschaftsmacht vor allem als Einfluss: über starke Vertretungen, Gesetzesbegutachtungen und bewährte Dialogformate. Wo dieser Einfluss beschnitten wird, braucht es Mitgliedschaftsmacht: Viele Mitglieder, aktive Betriebsrät:innen, sichtbare Beteiligung. Denn im Betrieb entscheidet am Ende eine einfache Logik: Ohne uns steht die Produktion, der Betrieb, der Dienst still. Oder netter gesagt: Kaffee alleine verhandelt keinen Kollektivvertrag.
Errungenschaften, die ohne Gegenmacht nie entstanden wären
Urlaub und Sozialversicherung, 40-Stunden-Woche, Kollektivverträge mit fairen Löhnen, Arbeitnehmerschutz, Betriebsrätegesetz – alles Ergebnisse kollektiver Stärke. Diese Erfolge sind kein Naturgesetz. Sie bleiben nur, wenn wir sie gemeinsam verteidigen und weiterentwickeln.
Kurz gesagt: Gegenmacht ist kein „Dagegen-Sein“. Sie ist das Ja zu fairen Löhnen, guten Arbeitsbedingungen und Respekt – durch organisierte Stärke.