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„Eiskalt im Stich gelassen“

vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit zu aktueller Teuerung und Forderungen an die Bundesregierung.

vida-Magazin: Die Menschen leiden enorm unter der Teuerung. Ignoriert die Bundesregierung die hohe Inflation?  

Roman Hebenstreit: In Bezug auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – ja. Niemand braucht einen Stromgutschein, den man erst im Jahr 2023 einlösen kann. Ähnlich ist es beim Klimabonus, der ja angeblich die Mehrbelastung durch die sogenannte „ökosoziale“ Steuerreform ausgleichen soll: Sprit- und Heizölpreise gehen durch die Decke und die Regierung verschiebt die Zusendung der Gutscheine auf Oktober. Auch über die zum wiederholten Mal vom Finanzminister angekündigte Abschaffung der kalten Progression bei der Lohnsteuer redet die Regierung wieder. Ob, wann und vor allem wie sie kommen soll, steht in den Sternen. Was nützt das alles den Menschen, die seit Monaten unter der massiven Teuerung etwa bei Lebensmitteln, Sprit, Energien und Mieten leiden? Die Menschen hätten schon längst spürbar entlastet werden müssen. Für die über 2,4 Millionen Pensionisten im Land müsste etwa die Pensionserhöhung 2023 sofort vorgezogen werden. Und wenn Arbeits- und Wirtschaftsminister Kocher dann noch meint, dass er in der Teuerung keinen Effekt auf den Wohlstand in unserem Land sieht, dann ist das eine respektlose Frotzelei!

vida-Magazin: Welche Maßnahmen braucht es jetzt?

Roman Hebenstreit: Es braucht vor allem schnell wirksame Maßnahmen! Nur wer schnell hilft, hilft hier wirklich. Mit 8 Prozent im Mai war die Teuerung so hoch wie seit 1975 nicht mehr, ein weiterer Anstieg ist nicht ausgeschlossen. Wenn die Regierung schon „Koste es, was es wolle“ ausgerufen hat, dann kann das nicht nur für die Unternehmen, sondern es muss auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten. Anstelle einer Ankündigungs- und Almosenpolitik braucht es langfristig wirksame Verbesserungen, die zu einer unmittelbaren und vor allem spürbaren Entlastung führen. Dazu zählt übrigens auch eine Nettoersatzrate von 70 Prozent bei Arbeitslosigkeit oder 90 Prozent Nettoersatz bei Kurzarbeit. Neben Entlastungen für Berufspendler braucht es auch die längst überfällige Inflationsanpassung von Sozialleistungen wie der Familienbeihilfe oder des Rehabilitationsgeldes. Bei Lebensmitteln und Waren des täglichen Gebrauchs brauchen wir sofort ein Aussetzen der Mehrwertsteuer. Wir benötigen auch einen Ausgleich durch Steuersenkungen auf Energien wie Gas, Strom, Sprit und Heizöle. Österreichs Haushalte zahlten im März 2022 um satte 42 Prozent mehr für Energie als noch vor einem Jahr. Energiekonzerne machen Milliardengewinne – wir fordern daher eine Abschöpfung der spekulationsgetriebenen Übergewinne und die Rückzahlung an die Verbraucher.

vida-Magazin: Themenwechsel, jahrelang haben die Gewerkschaften für eine Pflegemilliarde gekämpft. Hat sich das jetzt ausgezahlt?

Roman Hebenstreit: Am Tag der Pflege gingen 14.500 Menschen in ganz Österreich auf die Straße und setzten ein weiteres starkes Zeichen für gute Arbeit und faire Bezahlung für alle Beschäftigten im Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich. Der gewerkschaftliche Druck hat wieder mal zu diversen Ankündigungen geführt. Nur wenige Stunden vor den Protestaktionen präsentierte die Bundesregierung sehr kurzfristig Eckpunkte des lange angekündigten Pflegepakets. Und nach der versprochenen „Patientenmilliarde“ hat man uns jetzt eine „Pflegemilliarde“ versprochen. Bisher sind den Worten der Regierung selten Taten gefolgt. Und noch seltener haben diese  den Ankündigungen entsprochen. Befragt man die beiden Koalitionsparteien über den Inhalt des Paketes, bekommt man durchwegs unterschiedliche Auskünfte. Angekündigte Punkte wie mehr Lohn und Gehalt sowie der erhöhte Urlaubsanspruch sind langjährige Forderungen der Gewerkschaften. Wie diese umgesetzt werden, steht in den Sternen. Man schiebt den Ball den Sozialpartnern zu, die dann am Ende vielleicht mit neun Bundesländern, einer Vielzahl von Trägern und Stakeholdern die Suppe auslöffeln sollen.

vida-Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!
 

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