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Personalmangel im Tourismus

Schlechte Arbeitsbedingungen von Arbeitgebern verursacht.

„Wenn anlässlich der Semesterferien wieder einmal über Personalmangel im Tourismus geklagt wird, liegt die Ursache keineswegs darin, dass die Gewerkschaft die Branche schlechtredet, wie von der Wirtschaftskammer zuletzt behauptet, sondern die Probleme der Arbeitgeber sind hausgemacht. Anstatt der Gewerkschaft haltlose Vorwürfe zu machen, sollten sie besser gegen schwarze Schafe in den eigenen Reihen vorgehen, von denen es noch immer viel zu viele gibt“, hält Gottfried Winkler, Vorsitzender der Gewerkschaft vida, zum Ende der Semesterferien fest.

Häufigste Beschwerden

Es gibt viele Betriebe im Hotel- und Gastgewerbe, über die es keine Klagen gibt und wo MitarbeiterInnen vorbildlich behandelt werden. Leider existiert aber auch die andere Seite: Monat für Monat melden sich zahlreiche Beschäftigte bei Gewerkschaft oder Arbeiterkammer und beschreiben unzumutbare Arbeitsbedingungen, etwa massive Verstöße gegen das Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz. Die erlaubte Tagesarbeitszeit von maximal zehn Stunden - die Normalarbeitszeit beträgt acht Stunden - wird weit überschritten, von den gesetzlich vorgeschriebenen elf Stunden Pause zwischen Arbeitsende und nächstem Arbeitstag können viele ArbeitnehmerInnen im Tourismus nur träumen.

Als immer größeres Problem erweisen sich sogenannte All-Inclusive-Verträge. Mittlerweile werden diese Verträge, die für das Management gedacht waren, quer durch die Branche vergeben, vom Abwäscher bis zur Hausdame, kritisiert Rudolf Komaromy, Vorsitzender der vida-Bundesfachgruppe Tourismus: „Mit einem fixen Betrag wird die gesamte Leistung abgegolten, die/der Beschäftigte fällt um Überstundenzuschläge und sämtliche Zulagen um. Wenn man sich den Stundensatz für die erbrachte Leistung ausrechnet, liegt dieser oft  deutlich unter dem kollektivvertraglich vorgeschriebenen Mindestlohn.“

Nächstes Problemfeld ist die schlechte Personalplanung vieler Arbeitgeber. Laut Kollektivvertrag muss der Dienstplan eine Woche im Vorhinein aushängen und darf nur mit Zustimmung der ArbeitnehmerInnen geändert werden. In der Realität müssen diese aber jederzeit damit rechnen, dass die Diensteinteilung über Nacht umgeworfen wird und sie an freien Tagen gedrängt werden, zur Arbeit zu kommen. Obwohl es eindeutig Aufgabe der Unternehmer ist, auf genügend Ressourcen in der Hochsaison und eine vernünftige Einsatzplanung zu achten, wird hier auf dem Rücken der Beschäftigten gespart.

Handlungsbedarf für die Zukunft

Dass die Branche vielfach einen schlechten Ruf hat, ist auch verständlich, wenn man einen Blick auf die Situation vieler Lehrlinge wirft. „Die Qualität der Ausbildungsbetriebe müsste viel strenger überprüft werden“, fordert vida-Vorsitzender Winkler. „Für eine gute Ausbildung braucht man qualifiziertes Personal, das auch genügend Zeit hat, sein Fachwissen weiterzugeben. Viele Betriebe agieren jedoch nach dem  Motto ‚Ausbeuten statt Ausbilden‘.“ Die steigende Zahl nicht bestandener Lehrabschlussprüfungen sollte ein Alarmzeichen für die Arbeitgeber sein, denn die Lehrlinge von heute sind die Fachkräfte von morgen. Statt jedoch in qualitativ hochwertige Ausbildung zu investieren, beschränken sich die Vorschläge auf das Schaffen von Schmalspurlehrberufen wie etwa RezeptionistIn, was die Chancen der Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt deutlich verringern würde.

„Wenn es laut WKÖ hauptsächlich die Gewerkschaft ist, die den Personalmangel im heimischen Tourismus zu verantworten hat, fragen wir uns doch, warum die Arbeitskräftesuche der österreichischen Hoteliers und Gastronomen sogar in Krisenländern mit horrenden Arbeitslosenraten wie Spanien und Griechenland nur von äußerst bescheidenem Erfolg gekrönt ist“, so Winkler und Komaromy. „Vielleicht wäre es doch besser, Arbeitsbedingungen, Löhne und Lehrlingsentschädigungen so zu gestalten, dass die Branche auch bei österreichischen Arbeitskräften wieder beliebter wird.“

Niedrige Einkommen

Die aktuelle Verdienststrukturerhebung der Statistik Austria (siehe Publikation Februar 2013) belegt, dass im Sektor Beherbergung und Gastronomie die Bruttojahresverdienste am niedrigsten von allen Branchen sind, sowohl bei Vollzeit- als auch bei Teilzeitbeschäftigung. Der Bruttostundenlohn ist mit nicht einmal acht Euro  - konkret 7,89 Euro laut Statistik Austria -  um 38 Prozent niedriger als der durchschnittliche Stundenlohn in Österreich, und hier sind Überzahlungen bereits eingerechnet. „Diese Statistiken hat nicht die Gewerkschaft erfunden“, so Winkler. „Von Überzahlung profitiert außerdem vielleicht der Manager in einem Spitzenhotel, aber sicher nicht der Abwäscher in einem kleinen Café.“ 

Auch Hilfskräfte haben das Recht, von ihrem Einkommen leben zu können, denn ohne ihre Arbeit ließe sich kein Betrieb führen, betonen Winkler und Komaromy einhellig: „vida wird sich auch weiterhin für gute Arbeitsbedingungen und faire Einkommen für alle Beschäftigten im Tourismus einsetzen, auch wenn das auf Arbeitgeberseite einigen nicht passen mag. Wir sind jederzeit bereit, gemeinsam mit den Sozialpartnern Verbesserungen herbeizuführen“, so die beiden Gewerkschafter abschließend.

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Über uns

Der Fachbereich Tourismus in der Gewerkschaft vida vertritt die Interessen der 200.000 Beschäftigten im Hotel- und Gastgewerbe und in der Systemgastronomie. Der Tourismus ist eine junge Branche, 40 Prozent der Beschäftigten sind jünger als 30 Jahre, nur knapp 11 Prozent über 50. Über 60 Prozent der ArbeitnehmerInnen im Hotel- und Gastgewerbe sind Frauen. Die Branche ist von hoher Fluktuation und Abwanderung gezeichnet. Ohne Pensionierungen verlässt im Tourismus fast die Hälfte der Beschäftigten die Branche nach zehn Jahren. Die Gründe dafür liegen in schlechten Verdienstmöglichkeiten, Schwierigkeiten bei der Vereinbarung von Beruf und Familie und wenig Zukunftsperspektiven. Das darf nicht so bleiben, daher setzen wir in der Gewerkschaft vida uns für bessere Rahmenbedingungen in der Branche ein.

Fachbereichsvorsitzender: Berend Tusch
Fachbereichssekretärin: Kathrin Schranz