Foodora-Betriebsrat über seine Arbeit
Bericht des Foodora-Betriebsrates Robert Walasinski
Gerade für junge ArbeitnehmerInnen scheint Foodora ein attraktiver Arbeitgeber zu sein: Die meisten besitzen ein Fahrrad oder können sich leicht eines besorgen, das Gleiche gilt fürs Handy. Für den Essenslieferanten ein enormer Vorteil, denn er braucht diese Arbeitsmittel nicht bereitzustellen. Bald aber bekam der Lack des jungen Start-ups erste Kratzer, nicht zuletzt durch Verschlechterungen der Arbeitsverhältnisse. Deshalb formierte sich über den Winter 2016/2017 in Wien der Betriebsrat (siehe Linktipp)
Die Gründung war alles andere als einfach, denn die Arbeitsweise und die inhomogene Zusammensetzung der FahrerInnen bringen einige Hindernisse mit sich. Im Gegensatz zur „klassischen“ Arbeitsstätte gibt es bei der Botentätigkeit keinen fixen Ort, an dem sich täglich alle einfinden und austauschen können. Man arbeitet komplett unabhängig von Büro bzw. Zentrale auf der Straße. Gab es bis März 2017 in Wien noch eine eigene Werkstätte, in der die privaten Fahrräder gewartet werden konnten und die FahrerInnen einen Treffpunkt hatten, wurde diese aus Kostengründen eingespart und ersatzlos geschlossen. Der persönliche Austausch beruht auf zufälligen Begegnungen auf der Straße bzw. bei Wartezeiten in Restaurants. Die Kommunikation zwischen den FahrerInnen wurde anfangs über Nachrichtendienste wie WhatsApp geführt, in denen sich auch Vorgesetzte und Geschäftsführung befinden.
Den BetriebsrätInnen ist es gelungen, sich persönlich zu vernetzen. Sie verwendeten zur weiteren Absprache getrennte Chaträume, in denen sie geheime Treffen organisierten und Informationen austauschten. Mithilfe der Gewerkschaft gelang es, die Wahlen unbemerkt vorzubereiten und die Geschäftsführung mit der Bekanntgabe zu überraschen. Als Reaktion drohte die damalige Geschäftsführung mit der Schließung der Filiale in Wien. Am Folgetag wurde zudem jemand aus Berlin eingeflogen, um die FahrerInnen wieder von der Gründung eines Betriebsrates abzubringen.
Die Nichtexistenz eines örtlich fixen Arbeitsplatzes hatte auch einen kleinen Vorteil: Sie vereinfachte die Geheimhaltung der BR-Gründung, da unbemerkt Absprachen getroffen werden konnten. Allerdings waren sehr viele Einzelgespräche bei zufälligen Treffen notwendig, um InteressentInnen zu finden und ein zuverlässiges Team zu organisieren. Erschwerend kommt bei Foodora hinzu, dass bei Weitem nicht alle FahrerInnen angestellt sind, der Großteil arbeitet vielmehr als freie DienstnehmerInnen. Diese sind nicht wahlberechtigt und rechtlich nicht durch den Betriebsrat oder die Gewerkschaft vertreten. Auch bleiben viele nur wenige Wochen bis Monate im Betrieb. Die MitarbeiterInnenzahl mit echten Dienstverträgen sinkt zudem kontinuierlich – bei wachsendem Personal. Dies lässt vermuten, dass es sich um eine gezielte Maßnahme handelt, um die Organisation der ArbeitnehmerInnen zu verhindern und die Legitimität des BR infrage zu stellen.
Aus diesem Prozess heraus schlugen die Gewerkschaft vida und die Arbeiterkammer vor, ein EU-weites Treffen von FahrerInnen und Gewerkschaften zu organisieren (siehe Linktipp). Über verschiedene Kontakte gelang es, FahrerInnen und GewerkschaftsvertreterInnen aus Norwegen, Deutschland, Italien, Frankreich und den Niederlanden im April nach Wien einzuladen. Der dortige Erfahrungsaustausch war ebenso wertvoll wie aufschlussreich.
Foodoras Firmenstruktur ist streng hierarchisch organisiert, Informationen werden nur spärlich von oben nach unten kommuniziert, meist in Form von bereits gefällten Entscheidungen. In dieser Struktur stehen die BotInnen ganz unten, nach Möglichkeit sollen keine Informationen über Pläne oder Änderungen durchdringen. Diese Desinformationsstrategie wird in allen Ländern angewendet, da sich durch die kurzfristige Bekanntgabe eventuell unangenehme Entscheidungen leichter durchsetzen lassen und Argumente nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden können. ArbeitnehmerInnen, die Vorgangsweisen im Unternehmen kritisch hinterfragen, werden jegliche Aufstiegschancen genommen, sie werden leicht Opfer der nächsten Einsparungs- bzw. Umstrukturierungsmaßnahmen.
Foodora versucht zu verhindern, dass sich FahrerInnen kritisch über die Arbeitsbedingungen austauschen. Probleme wie die Schichtplanung, die eigentlich die gesamte Flotte betreffen, werden individualisiert und Diskussionen abgewürgt. Die Spaltung zwischen Büro und FahrerInnen geht stellenweise so weit, dass Letztere in manchen Ländern keinerlei Zugang mehr zum Büro haben oder in einigen Fällen gar nicht wissen, wo es sich befindet.
Billigste Variante
Es ist auch zu beobachten, dass das Unternehmen in jedem Land versucht, die für sich billigste Variante von Anstellungen aufrechtzuerhalten. In Frankreich und Italien werden etwa nur „FreelancerInnen“, also selbstständige BotInnen engagiert. Sie werden nur nach Bestellung bezahlt und haben keinerlei soziale Absicherung. Wo dies rechtlich zulässig ist, wird auf „Selbstständige“ gesetzt oder auf Formen wie den Freien Dienstvertrag in Österreich. Dies geschieht entweder von Beginn an oder aber es wird sukzessive umgestellt und das unternehmerische Risiko ausgelagert – zumindest drängt sich dieser Eindruck auf.
Quelle: www.oegb.at