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Arbeiten im Verkehr noch fair?

Jeder zweite Transit-Lkw österreichischer Frächter schon im Ausland zugelassen.

Kein erfreuliches Bild über die Arbeitsbedingungen im Transportwesen wurde bei der Veranstaltung der AK sowie den Gewerkschaften vida und younion zum Thema "Verkehr Fair" in der Arbeiterkammer Wien gezeichnet. Es gebe in Europa ein "massives Lohn- und Sozialdumping", was nicht zuletzt auf Gesetzeslücken zurück zu führen sei. "Die Beschäftigten sind die Leidtragenden des immer billigeren Verkehrs", so AK-Päsident Rudi Kaske.

60-Stunden-Wochen

Roman Hebenstreit, stellvertretender vida-Vorsitzender, sprach von einem "modernen Sklaventum" und "Lohndrückerei. 60-Stunden-Wochen, unbezahlte Überstunden und wochenlanges Campieren im Lkw seien die Realität. So würden die Stundenlöhne in Bulgarien bei 2,20 Euro liegen - zum Vergleich: In Österreich sind es rund 8,80 Euro pro Stunde. Weiteres würde das unternehmerische Risiko immer stärker auf die Beschäftigten abgewälzt.

Es wird zu wenig kontrolliert

Es sei eine "Perversion" dass die Frächter zwar ihre Fahrer mittels GPS kontrollieren, der Staat aber nicht die Lenk- und Ruhezeiten überprüfen kann, so Hebenstreit. Unterstützung kam aus dem Publikum. Es werde in Österreich Sozialdumping viel zu wenig kontrolliert, nicht zuletzt weil die Finanzbehörden unterbesetzt sind. Besonders schlimm sei die kilometerabhängige Bezahlung, eine nicht in allen europäischen Ländern illegale Praxis. "Das tötet", so ein Zuhörer. Für Aufregung sorgte auch der Wunsch der Frächter, Stehzeiten nicht länger bezahlen zu wollen, welcher seit Monaten die Kollektivvertragsverhandlungen für das Güterbeförderungsgewerbe auf Eis liegen lässt. 

Brauchen einheitliche EU-Regeln

Für Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) ist die Sache klar. "Wir brauchen europaeinheitliche Regelungen und Standards in der Verkehrs- und Transportbranche. Und wir müssen dafür sorgen, dass sie auch kontrolliert und eingehalten werden", so der Minister am Montag.

Entsenderichtlinie korrigieren

Im Verkehr werden die Folgen von grenzenloser Liberalisierung in Europa auf dem Rücken der Beschäftigten besonders deutlich. Eine aktuelle Studie des Instituts FORBA zeigt: Das geltende EU-Recht weist Lücken auf, indem etwa in der Entsenderichtlinie die hohe Mobilität der Beschäftigten im Verkehrsbereich zu wenig berücksichtigt wird. Das sorgte auch bei der Veranstaltung für Unmut. Obwohl die Fahrer einen Teil ihres Jobs in Österreich erledigen, müssen sie nicht nach den hiesigen Standards bezahlt werden. Mittlerweile ist bereits jeder zweite schwere Lastwagen ausgeflaggt, sprich der österreichische Frächter hat sein Fahrzeug im Ausland angemeldet. Laut einer Studie der TU Wien soll es heuer erstmals mehr Transit-Lkw von österreichischen Betreibern mit ausländischer als mit inländischer Zulassung geben.

Wochenlanges Leben im Lkw

Im europäischen Verkehrsmarkt sind rund 11 Millionen Menschen beschäftigt, wobei es nicht nur in Osteuropa Sozialdumping gibt, erinnerte Eduardo Chagas, Generalsekretär der europäischen Transportarbeitervereinigung. Während der Veranstaltung kamen auch osteuropäische Fahrer von österreichischen Frächtern zu Wort. Sie berichteten dass sie oft wochenlang im Lkw leben und nur ein bis zweimal die Woche warmes Essen haben.

Bei den Bussen im Nahverkehr würde der scharfe Preisdruck im öffentlichen Verkehr tausende von bisher fair bezahlten Jobs vernichten. Und auch der Traumberuf Steward bzw. Stewardess ist längst keiner mehr. Die Flugbegleiter hätten Bruttolöhne von 1.200 bis 1.500 Euro.

Bei der Bahn sorgt der Wettbewerbsdruck für Arbeitsverdichtung und Sicherheitsdefizite: Für LokführerInnen im grenzüberschreitenden Verkehr gibt es keine Kontrollen der Ruhezeiten, Catering-Personal aus Ungarn arbeitet in österreichischen Zügen zu ungarischen Bedingungen. Ruhezeiten werden drastisch überschritten.

Europäische Bürgerinitiative "Fair Transport"

Jetzt für die Bürgerinitiative „Fair Transport“ unterschreiben: Weil ein europäisches Problem eine europäische Lösung braucht, unterstützen die AK und die Gewerkschaften vida und younion die EU-weite Bürgerinitiative Fair-Transport, die sich europaweit für faire Arbeitsbedingungen im Verkehr einsetzt.

  • Gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss überall in Europa mit Mindestlöhnen, Kontrollen und Strafen durchgesetzt werden. + Lenk- und Ruhezeiten im Lkw-Verkehr oder Busverkehr sind EU-weit geregelt, werden aber oft nicht eingehalten. Kontrollen der Ruhezeiten müssen durchgesetzt werden.
  • Es braucht einheitliche Ausbildungs- und Qualifizierungsstandards für mehr Sicherheit und faire Ausgangsbedingungen. Es kann nicht sein, dass das Unternehmen mit am schlechtesten ausgebildeten und am wenigsten erfahrenen Fahrern Schulbusse fährt.
  • Im Personennahverkehr müssen Sozial- und Qualitätskriterien bei jeder Ausschreibung von öffentlichen Bus-Verkehrsbestellungen Standard werden. Eine EU-Verordnung (PSO 1370/2007) erlaubt das längst.  Die Direktvergabe im Personennahverkehr muss gesichert sein.
  • Keine Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen und keine weitere Liberalisierung im Verkehrssektor ohne soziale Harmonisierung in der EU auf hohem Niveau.

Mehr zur EU-weiten Bürgerinitiative: Gleich unterzeichnen auf www.fairtransporteurope.eu


Fotoalbum von der Veranstaltung:

Verkehr Fair: Lohn- und Sozialdumping und Gegenstrategien

 

 

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Der Fachbereich Straße in der Gewerkschaft vida vertritt die Interessen aller Berufskraftfahrer:innen in Österreich. Beschäftigte in der Güterbeförderung, Spedition und Logistik gehören ebenso dazu wie Autobuslenker:innen oder aber auch Mietwagen- und TaxifahrerInnen. Am „Arbeitsplatz Straße“ unterwegs zu sein, ist mit einer hohen Verantwortung verbunden. Damit die Beschäftigten ihre Arbeit unter guten und sicheren Bedingungen erbringen können, gestaltet vida aktiv mit. Wir machen uns vor allem für jene Berufskraftfahrer:innen stark, die mit schwerwiegenden arbeitsrechtlichen Problemen zu kämpfen haben. Fragwürdige Praktiken bei der Entlohnung ebenso wie teils nicht ordnungsgemäße Anmeldung zur Sozialversicherung oder dubiose Scheinselbständigkeit sind die Hauptthemen unserer Arbeit. Nationale und internationale Vernetzung, Lobbying und kompetente Grundlagenarbeit zählen zu unseren täglichen Aufgaben.

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