vida

Behindertenfahrtendienste - "1.000 Euro Brutto völlig unakzeptabel"!

Arbeitgeber sollen Blockade bei Lohnerhöhung aufgeben.

Die Minderheit der Arbeitgeber im Fachverband Personenbeförderungsgewerbe in der WKÖ soll endlich ihre Blockadehaltung gegen eine Lohnerhöhung für die Beschäftigten von Behindertenfahrtendiensten in Wien aufgeben, fordert die Gewerkschaft vida. "Die aktuelle Bezahlung ist völlig unakzeptabel. Eine Erhöhung des heutzutage nicht mehr entsprechenden Mindestkollektivvertragslohnes für MietwagenlenkerInnen in der Höhe von 1.000 Euro Brutto für 45 Wochenarbeitsstunden (5,13 Euro pro Stunde) um 150 Euro stellt bei einem psychisch und physisch anstrengenden Beruf ohnedies eine Lohnschmerzgrenze dar", kritisiert Gudrun Thiemer, vida-Bundesfachsekretärin für den Bereich BerufskraftfahrerInnen. Dies könne aber nur eine Übergangslösung zum vom ÖGB für alle ArbeitnehmerInnen geforderten Mindestlohn in der Höhe von 1.500 Euro Brutto sein, stellte Thiemer klar.

FahrerInnen tragen hohe Verantwortung

Acht Firmen führten im Auftrag der Stadt Wien Fahrtendienste für körperlich bzw. geistig behinderte Menschen beispielsweise vom Wohnsitz zur Schule oder zu medizinischen Behandlungseinrichtungen durch. Diese KundInnen benötigen im Rahmen ihrer Fahrten und Lebensumstände Betreuung, die über das reine Befördern von A nach B hinausreicht. Das sei auch für die FahrerInnen angesichts der hohen zu tragenden Verantwortung oft nicht einfach zu bewältigen, führt Thiemer als Grund für die geforderte Einführung einer eigenen und besser dotierten Lohntabelle im Kollektivvertrag für Lenkpersonal im Behindertenfahrtendienst an. Neben der Erhöhung in diesem Jahr um 150 Euro fordert die Gewerkschaft eine weitere 150-Euro-Erhöhung ab 1. Jänner 2014.

Höhere Entlohnung absolut gerechtfertigt

Notwendige Tätigkeiten der LenkerInnen, die in diesem Beruf derzeit nur einen gültigen Führerschein B als Befähigungsnachweis vorlegen müssten, seien beispielsweise Hilfestellung beim Ankleiden, Begleitung und Gehunterstützung zum Fahrzeug, Umsetzhilfe bei an den Rollstuhl gebundenen Personen bis hin zu Tragediensten, wenn weder Aufzug noch Rampe vorhanden sind. "Die LenkerInnen tragen ständig die Verantwortung für die KundInnen - nicht nur innerhalb des Wagens. Deshalb ist eine höhere Entlohnung für diese anstrengenden und mit Risiken verbundenen Beruf absolut gerechtfertigt", bekräftigt Thiemer.

Es seien schon Unfälle mit schweren Folgen für FahrerInnen und KundInnen passiert, sagt Thiemer. So seien beispielsweise zwei LenkerInnen beim Tragen eines Rollstuhlfahrers im Stiegenhaus gestürzt. Die Folgen waren Verletzungen und eine Anzeige wegen Körperverletzung für das Personal. Ein anderer Lenker sei wegen Verletzung der Aufsichtspflicht von der Polizei angezeigt worden, weil eine Schülerin selbständig mit ihrem Elektroroller über die Wagenrampe ins Fahrzeuginnere fuhr und sich dabei aus unerklärlichen gründen überschlagen hatte - zudem erstattete auch das Spital automatisch Anzeige gegen den Lenker. "Ein derart hohes Berufsrisiko kann bei einem Einkommen von 1.000 Euro Brutto schnell zu einer dramatischen und unverschuldeten Existenzgefährdung führen", warnt Thiemer.

Für entsprechende Ausbildung Entlohung zu niedrig

"Behinderten bzw. kranken Menschen muss auch bei der Inanspruchnahme von Fahrtendiensten eine bestmögliche Betreuung zustehen. Viele ArbeitnehmerInnen, die im Bereich der Betreuung von Kranken oder Behinderten eine entsprechende Ausbildung vorweisen können und auch gerne im Behindertenfahrtendienst arbeiten möchten, werden aber von den schlechten Entlohnungsbedingungen abgeschreckt - das geht natürlich zulasten der Menschen, die eine besondere Betreuung brauchen, für die aber kein fachlich geschultes Personal zu bekommen ist ", gibt die vida-Fachsekretärin zu bedenken.

Sparen am falschen Ort

An dieser Stelle seien der Fonds Soziales Wien und die Stadt Wien selbst, die diese Dienstleistungen aus Spargründen per Ausschreibung ausgelagert haben, in die Verantwortung zu nehmen, sagt Thiemer: "Das ist zweifaches Sparen am falschen Ort. Grundlegendes Übel sei, wenn man aufgrund der Ausschreibungskriterien überwiegend die billigsten Anbieter mit schlecht bezahltem und nicht entsprechend ausgebildetem Personal zum Zuge kommen lässt und auf Qualitätskriterien wie entsprechende Entlohnung und Qualifikation des Personals verzichte. "Man darf sich dann nicht wundern, wenn es beim Personal Unzufriedenheit und dadurch ausgelöste hohe Fluktuation in der Branche gibt, in der in Wien immerhin rund 500 Beschäftigte arbeiten. Dabei würden behinderte Menschen ihnen vertraute und verständnisvolle Bezugspersonen umso mehr brauchen, gibt Thiemer zu bedenken.

"Hält der Fonds Soziales Wien weiter an seiner Haltung fest, dass die Firmen auch nur geringfügige Kollektivvertragserhöhungen für die FahrerInnen nicht weitergeben dürften, wird damit der Druck auf die Dienstleister und ihr Personal noch weiter erhöht", kritisiert Thiemer. Bei der Firma Blaguss gebe es beispielsweise schon eine Einigung mit dem Betriebsrat, den FahrerInnen ab 1. März 150 Euro mehr zu bezahlen. "Es ist nicht einzusehen, dass Firmen in dieser Branche, die ihren Beschäftigten freiwillig mehr als den kollektivvertraglich vorgesehenen Mindestsatz bezahlen, unter zusätzlichen Wettbewerbsdruck geraten, weil andere weiterhin an Dumpinglöhnen festhalten und der Fonds Soziales Wien bei der Weiterverrechung von Tarifsteigerungen für Beschäftigte an der Armutsgrenze auf stur schaltet."

Für dich da! Gewerkschaft vida Fachbereich Straße Johann-Böhm-Platz 1
1020 Wien
+43 (0) 1 534 44 79 580 +43 (0) 1 534 44 102 510 strasse@vida.at
Über uns

Der Fachbereich Straße in der Gewerkschaft vida vertritt die Interessen aller Berufskraftfahrer:innen in Österreich. Beschäftigte in der Güterbeförderung, Spedition und Logistik gehören ebenso dazu wie Autobuslenker:innen oder aber auch Mietwagen- und TaxifahrerInnen. Am „Arbeitsplatz Straße“ unterwegs zu sein, ist mit einer hohen Verantwortung verbunden. Damit die Beschäftigten ihre Arbeit unter guten und sicheren Bedingungen erbringen können, gestaltet vida aktiv mit. Wir machen uns vor allem für jene Berufskraftfahrer:innen stark, die mit schwerwiegenden arbeitsrechtlichen Problemen zu kämpfen haben. Fragwürdige Praktiken bei der Entlohnung ebenso wie teils nicht ordnungsgemäße Anmeldung zur Sozialversicherung oder dubiose Scheinselbständigkeit sind die Hauptthemen unserer Arbeit. Nationale und internationale Vernetzung, Lobbying und kompetente Grundlagenarbeit zählen zu unseren täglichen Aufgaben.

Fachbereichsvorsitzender: Markus Petritsch
Fachbereichssekretär: Toni Pravdic, Karl Delfs