Halbe Million Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen
„Einerseits jammert die Wirtschaft über fehlende Arbeitskräfte, andererseits werden die Löhne durch Arbeitskräfte aus Billiglohnländern gedrückt“, kommentiert Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft vida, eine aktuelle Statistik des Arbeitsmarktservices (AMS). Die Zahlen belegen, dass derzeit rund eine halbe Million Menschen in Österreich, vorwiegend Frauen, einen Job auf Teilzeitbasis oder überhaupt nur geringfügig ausüben. Dazu kommen befristete Dienstverhältnisse, freie Dienstverträge und Leiharbeit. „Der nächste Arbeitgeber, der sich über den Arbeitskräftemangel beschwert, sollte ganz schnell beginnen, im eigenen Betrieb nachzuschauen, wie viele Vollzeitkräfte er zuletzt bewusst eingestellt hat und wie sich die Löhne entwickelt haben. Wenn das die Vollbeschäftigung ist, von der die Bundesregierung spricht, dann fürchte ich mich“, kritisiert Hebenstreit dieses falsche Spiel der Regierung.
Viele dieser prekär Beschäftigten entfallen auf Niedrigentlohnerbranchen. „Das wundert uns nicht wirklich. Die Branchen, die am meisten über fehlende Mitarbeiter jammern, bieten die schlechtesten Bedingungen. Angeblich steigt der Preis bei einem Mangel am Markt. Ich sehe diese Preissteigerungen aber nicht. Entweder funktioniert der Markt nicht oder es gibt keinen Mangel“, so Hebenstreit. Zu besseren Arbeitsbedingungen gehöre eben auch Vollzeitarbeit: „Vollzeitarbeit, von der man leben kann – das muss man leider dazusagen, wenn man sich anschaut, was die Arbeitgeber bereit sind, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für eine Vollzeitstelle zu bezahlen.“ Es sei an der Zeit, dass die Arbeitgeber erkennen müssen, dass auch der Arbeitsmarkt ein Markt mit Angebot und Nachfrage ist. „Dass viele Menschen dann den Teilzeitjob annehmen oder sogar freie Dienstverträge unterschreiben, liegt daran, dass sie das Geld brauchen und nicht, weil sie nicht Vollzeit arbeiten wollen. Es werden schlichtweg zu wenige Vollzeitstellen angeboten oder die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder sind nicht gegeben. Teilzeit kommt den Arbeitgebern aber natürlich billiger, von Nachhaltigkeit kann jedoch keine Rede sein. Wir fordern ein Recht auf Vollzeit inklusive der Verfügbarkeit von Betreuungseinrichtungen für Kinder“, so Hebenstreit und verweist auch auf 53.000 junge Menschen, die auf einen Job warten.
Wie die Faust aufs Auge dazu passe die am Freitag von Minister Martin Kocher präsentierte erneute Anhebung des Saisonierkontingents auf weitere 1000 Personen. „Die Regierung macht sich damit zum Komplizen der Lohndrücker in der Wirtschaft. Anstatt die Arbeitsbedingungen zu verbessern, können Arbeitgeber weiter munter auf Arbeitskräfte aus dem Ausland zurückgreifen, wo das Lohnniveau deutlich niedriger ist als in Österreich. Hören Sie endlich auf, andauernd ganz offiziell Lohn- und Sozialdumping zu betreiben. Denn darum handelt es sich, wenn man bewusst Menschen aus Ländern mit niedrigerem Lohnniveau rekrutiert“, schließt Hebenstreit.