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BewacherInnen sind keine SaisonarbeiterInnen!

Kündigungsfristen neu: BetriebsrätInnen stimmten gegen Aufweichungen.

Wir sind keine ArbeitnehmerInnen zweiter Klasse: In ihrer Online-Konferenz am 27. April 2021 hat die überwiegende Mehrheit der teilnehmenden BetriebsrätInnen eindeutig beschlossen, dass die BewacherInnen keine SaisonarbeiterInnen sind. Ihre Kündigungsfristen müssen daher mit jenen der Angestellten gleichgestellt und somit verbessert werden. Heute gibt es nur mehr ArbeitnehmerInnen – eine Unterteilung in ArbeiterInnen und Angestellte ist nicht mehr zeitgemäß. 

Angleichung längst überfällig

Hintergrund dieses eindeutigen Ergebnisses ist ein Streitpunkt zwischen den Sozialpartnern im Bewachungsgewerbe, Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und Gewerkschaft vida, um die vom Gesetzgeber bereits im Jahr 2017 beschlossene Angleichung der Kündigungsfristen von ArbeiterInnen und Angestellten. Die Angleichung, die deutliche Verbesserungen für die ArbeiterInnen bringt, hätte zuerst ab 1. Jänner 2021 wirksam werden sollen. Aufgrund der Belastungen durch die Corona-Krise für die Wirtschaft und Betriebe wurde sie auf 1. Juli 2021 verschoben.

„Die Angleichung muss umgesetzt werden. 100 Jahre Ungleichbehandlung zwischen ArbeiterInnen und Angestellten bei den Kündigungsfristen sind genug!“

Ursula Woditschka, vida-Fachbereichssekretärin 

Wirtschaftskammer will Gleichstellung umgehen

Das einzige Schlupfloch im Arbeitsverfassungsgesetz ist eine Ausnahme für Saisonbrachen, wie etwa den Bau oder die Landwirtschaft, die in weiten Teilen von hoher saisonbedingter Beschäftigung bzw. Arbeitslosigkeit geprägt sind. Um auf dem Rücken der Beschäftigten in der Bewachung Kosten für die Arbeitgeber zu sparen, hat die WKÖ diese Ausnahmemöglichkeit zum Anlass genommen, von ihrem Kollektivvertragspartner Gewerkschaft vida zu verlangen, das Bewachungsgewerbe als Saisonbranche zu bewerten.

Ultimatum gestellt und Druck ausgeübt

Die Arbeitgebervertretung lehnt die Anpassung der Kündigungsfristen schon seit 2019 ab. Sie droht für den Fall eines Nichtnachkommens ihres Wunsches auch gleich mit dem Abbruch der sozialpartnerschaftlichen Beziehungen bis hin zur Verweigerung von Kollektivvertragsverhandlungen und somit von Lohn- und Zulagenerhöhungen. Die WKÖ hat einen alternativen Vorschlag mit stark vom Gesetz abweichenden und somit für die Betriebe billigeren Kündigungsfristen samt Ultimatum zur Annahme bis Ende April 2021 unterbreitet. In einigen Betrieben wurde in dieser Angelegenheit auch versucht, mit Personaleinsparungsdrohungen auf BetriebsrätInnen Druck auszuüben.     

Mehrheit arbeitet ganzes Jahr durch

Für die vida und die große Mehrheit der BetriebsrätInnen in der Bewachung ist die Haltung der WKÖ, dass alle Bewachungsunternehmen saisonalen Schwankungen unterliegen, nicht nachvollziehbar. In der Branche werden von in Summe 500 Betrieben rund 16.000 ArbeitnehmerInnen beschäftigt, wobei wenige große Unternehmen, die meisten Beschäftigten haben. Diese unterliegen auch keine wesentlichen saisonalen Schwankungen.

„Es ist daher nicht einzusehen, dass man für die riesengroße Mehrheit der Bewachungsbeschäftigten, die das ganze Jahr über arbeiten, schlechtere Bedingungen akzeptiert, nur weil sich die WKÖ auf einige Klein- und Kleinstfirmen mit wenigen MitarbeiterInnen beruft, die angebliche starken saisonalen Personalschwankungen unterliegen.“

Ernst Jürgen Kreissler, Vorsitzender des vida-Kollektivvertragsausschusses für die Bewachung


Voraussichtlich am 12. Mai werden zur Frage der Kündigungsfristen weitere Sozialpartnergespräche geführt.

Vorteile längerer Kündigungsfristen

Aktuell beträgt die Kündigungsfrist im Bewachungsgewerbe 14 Tage. Eine Arbeitgeberkündigung kann dabei täglich ausgesprochen werden.

Mit der Anpassung würden sich die Kündigungsfristen verlängern auf:

•           6 Wochen im ersten und zweiten Dienstjahr
•           2 Monate im dritten bis zum vollendeten fünften Dienstjahr
•           3 Monate im sechsten bis zum vollendeten 15. Dienstjahr
•           4 Monate im 16. bis zum 25. Dienstjahr
•           5 Monate ab dem 25. Dienstjahr

Auch sonst liegen die Vorteile für die Beschäftigten, die längere Kündigungsfristen mit sich bringen, klar auf der Hand:

  • Längerer Bezug von gleichem und höherem Einkommen statt früher deutlich niedrigeres Arbeitslosengeld (nur 55 Prozent Nettoersatzrate vom Einkommen). Also ein klarer Fortschritt vor allem für ArbeiterInnen im Niedriglohnbereich. 
  • Bessere Absicherung für langjährige MitarbeiterInnen: ArbeitgeberInnen werden zweimal nachdenken, bevor jemand mit langer Kündigungsfrist freigesetzt wird.
  • Der kurzfristige Abbau von MitarbeiterInnen gerade wie jetzt in Krisenzeiten wird schwieriger und bringt Beschäftigten somit mehr Zeit und Schutz. 
  • Der Anreiz für ArbeitgeberInnen andere Strategien der Krisenbewältigung wie etwa Kurzarbeit vor Kündigungen anzuwenden, wäre bei längeren Fristen stärker.
  • Längere Kündigungsfristen senken die Zeiten der Arbeitslosigkeit von ArbeiterInnen. Man hat auch mehr Zeit, ohne starkem Lohnverlust einen Kündigungsschock zu verdauen und sich einen neuen Job zu suchen.
  • Kann man MitarbeiterInnen nicht mehr schnell und billig kündigen, werden sie auch besser ausgebildet und geschult, weil sie nicht mehr von heute auf morgen ausgetauscht werden können.

Weitere Infos zum Thema findest du in den nebenstehenden Downloads.

Fragen zum Thema und zur BetriebsrätInnenkonferenz bitte per E-Mail an: gebaeudemanagement@vida.at

Für dich da! Gewerkschaft vida Fachbereich Gebäudemanagement Johann-Böhm-Platz 1
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Über uns

Der Fachbereich Gebäudemanagement in der Gewerkschaft vida vertritt die Interessen der Arbeitnehmer:innen in Gebäudereinigungsfirmen, der Schädlingsbekämpfer:nnen, der Hausbesorger:innen und Hausbetreuer:innen und Beschäftigten aus den Sicherheitsdiensten. Viele Betriebe lagern Dienstleistungen aus den Bereichen Reinigung und Wartung aus. Für die Beschäftigten stellen sich neue, vielfältige Arbeitsgebiete dar. Zu unseren Hauptaufgaben zählen die Verbesserungen der Kollektivverträge und die Erhöhung der jeweiligen Lohnsysteme in den jährlichen Verhandlungen. Da Ist-Löhne in diesem Wirtschaftsbereich keine Rolle spielen, sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders auf erfolgreiche Verhandlungen der Gewerkschaft angewiesen.

Fachbereichsvorsitzende: Gernot Kopp
Fachbereichssekretärin: Ursula Woditschka