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LokführerIn 4.0

Neue Anforderungen: Technisches Spezialwissen für Überwachung und Notfallkoordination.

Angesichts der Pläne der Deutschen Bahn, künftig vollautomatisch fahrende Züge einzuführen, zeigt sich Roman Hebenstreit, Vorsitzender des Fachbereichs Eisenbahn in der vida, zuversichtlich, dass dadurch die LokführerInnen nicht abgeschafft werden können. "Wir brauchen den Lokführer 4.0", meint er im Interview mit der Austria Presseagentur (APA). Neben dem Fahren würden die LokführerInnen nämlich immer mehr zusätzliche Aufgaben übernehmen.

Aufgaben steigen

Zu den neuen Aufgaben gehören technische Bereiche wie die Überwachung der Systeme. So gebe es bereits technische Anlagen auf der Strecke, die Züge zum Stehen bringen können. Dann müssten die TriebfahrzeugführerInnen an Ort und Stelle die Lage beurteilen. Ohne Lokführer/in müsste jemand extra auf die Strecke zum Zug geschickt werden. Auch bei der Notfallkoordination brauche man die LokführerInnen, ebenso bei technischen Gebrechen.

Einstiegsgehälter anheben

Die Gewerkschaft sperre sich nicht gegen Modernisierungen, sondern verweise auf die neuen Aufgaben, die damit für die Beschäftigten einhergehen. Daher wolle man gemeinsam mit den Arbeitgebern das Berufsbild LokführerIn überarbeiten und neu definieren. Da für die künftigen, stärker technisch orientierten Anforderungen auch mehr Wissen nötig sei, fordert ÖBB-Konzernbetriebsratschef Hebenstreit eine Anhebung der Einstiegsgehälter.

Studie in Planung

Derzeit gebe es kein ÖBB-Projekt für vollautomatisch fahrende Züge. Die Gewerkschaft vida will gemeinsam mit der Arbeiterkammer und Forba eine Studie über die Auswirkungen der Automatisierung und Digitalisierung auf die Beschäftigten machen. "Wir müssen rechtzeitig schauen, wie sich die Anforderungsprofile verändern und was es für die Arbeitgeber bedeutet, sich auf die Systemänderung vorzubereiten", mahnt Hebenstreit.

Mensch nicht in allen Bereichen zu ersetzen

Mit dem Plan, schon in wenigen Jahren Züge ohne Lokführer rollen zu lassen, überraschte der Chef der Deutschen Bahn, Rüdiger Grube. "Ich rechne damit, dass wir 2021, 2022 oder 2023 so weit sind, dass wir in Teilen unseres Netzes vollautomatisch fahren können", sagte Grube, in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Das rief in Deutschland Widerspruch bei Schienentechnikexperten und Gewerkschaftern hervor. Die Arbeitnehmervertreter befürchten den Verlust von Arbeitsplätzen. Der Chef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, Alexander Kirchner, drückte dies so aus: "Das ist ein langer Prozess, bei dem es viele technische und rechtliche Fragen zu klären gibt", sagte er der Deutschen Presseagentur (dpa). Der Mensch lasse sich im Eisenbahnbetrieb jedenfalls nicht in allen Bereichen ersetzen.

Situation weltweit, Pilotprojekte und Expertenmeinung
Weltweit gibt es schon eine Reihe führerlose Bahnen, meist sind das aber geschlossene Systeme wie U-Bahnen und Pendelzüge auf Flughäfen. Alle sind sich einig, dass die Eisenbahn komplexer ist. Noch dazu fährt sie unter freiem Himmel und durch Wälder und Felder. Wenn es klappen sollte, gäbe es einen großen Vorteil: Personen- oder Güterzüge könnten dann in dichterem Abstand hintereinander fahren. Das heißt: Mehr Kapazität auf der gleichen Strecke, berichtete die APA.

In wenigen Wochen beginnt die Deutsche Bahn im Erzgebirge in Sachsen mit einem Pilotprojekt. Auf der rund 30 Kilometer langen Strecke von Annaberg-Buchholz nach Wolkenstein sind tägliche Testfahrten mit einer Diesellok geplant, die mit Computer, Videokameras und Sensoren ausgerüstet wird. Das System soll Signale erkennen, Hindernisse identifizieren und entsprechend reagieren. Hängt da nur ein harmloser, dünner Zweig im Gleis oder liegt ein Baum auf den Schienen? Dabei stehe man noch am Anfang, räumt ein Sprecher der Deutschen Bahn ein: "Wir glauben aber, dass wir die Probleme lösen können."

Folgt man dem Bahnexperten Markus Hecht von der Technischen Universität Berlin, dann ist die Deutsche Bahn beim führerlosen Zugfahren nicht voraus, sondern im Hintertreffen. Teilstrecken von Thameslink in England würden bereits ohne Lokführer betrieben. In Australien gebe es Erzzüge, die sehr lange Strecken ohne einen Menschen an der Spitze zurücklegten, sagt der Professor, der das Fachgebiet Schienenfahrzeuge am Institut für Land- und Seeverkehr leitet.

Hecht hält es vor allem für einen Fehler, dass die Bahn allein für sich forscht. "Das ist eine Insellösung, die nichts bringt." Die Deutschen müssten vielmehr auf eine europäische Lösung hinarbeiten und dabei große Hersteller wie Bombardier und Siemens, die großen Eisenbahnen in den Nachbarstaaten sowie die Europäische Eisenbahnagentur (ERA) als Aufsichtsbehörde einbinden.

Das modernste Zugleitsystem ETCS als Zwischenschritt und Voraussetzung für voll automatisierten Zugbetrieb gebe es bisher nur auf der Strecke Leipzig-Erfurt, kritisiert Hecht. Ein Hauptproblem sieht er darin, was passiert, wenn ein Zug wegen einer Fehlermeldung gestoppt wird. "Wer stellt dann fest, dass es ein Fehlalarm war? Wer gibt das Kommando, dass der Zug weiterfahren darf?" In der Praxis dürfte das nach Einschätzung Hechts häufiger passieren, als es der Bahn lieb ist.

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