vida

10 Jahre ÖBB-Streik: 66 Stunden stand alles still

Gesetzliche Eingriffe ins Dienstrecht gemeinsam verhindert.

Im November 2003 ist ein Konflikt um Reformen bei den ÖBB in einem mehrtägigen Bahn-Streik eskaliert. Die damalige schwarz-blaue Regierung wollte die Österreichischen Bundesbahnen zerschlagen und per Gesetz in das Dienstrecht der EisenbahnerInnen eingreifen. Die Gewerkschaft der Eisenbahner (seit 2007 Gewerkschaft vida) wehrte sich. Nach einem zwölfstündigen Warnstreik am 4. November wurde vom damaligen Bahn-Gewerkschaftsboss Wilhelm Haberzettl der "unbefristete" Streik ausgerufen.

Beschäftigte in Ausstand

Am Mittwoch, 12. November 2003, um 0 Uhr begann der Streik von Bahn und Postbus. Die Beschäftigten traten in einen unbefristeten Ausstand. Protestiert wurde gegen drohende gesetzliche Eingriffe ins Dienstrecht, gegen eine geplante Aufspaltung der ÖBB in neun Gesellschaften und eine von Regierungsseite gewünschte (Teil-)Privatisierung von Bahn und Postbus. Züge und Busse standen österreichweit still, der Streik wurde geschlossen eingehalten.

Verhandlungsmarathon

Zuvor waren die Verhandlungen über die Vorhaben nach 14 Runden abgebrochen worden. ÖBB-Chef war damals Rüdiger vorm Walde, der den EisenbahnerInnen im Falle einer Streikbeteiligung mit Entlassung drohte. Verkehrsminister war Hubert Gorbach (FPÖ), Bundeskanzler war Wolfgang Schüssel (ÖVP). Die oppositionelle SPÖ unter Parteichef Alfred Gusenbauer und die Grünen mit Bundessprecher Alexander van der Bellen an der Spitze kritisierten die Pläne der damaligen Regierung. In Villach kam es während des Streiks zu einem Zwischenfall: Der damalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ) erschien bei einer Betriebsversammlung der EisenbahnerInnen und wurde prompt hinauskomplimentiert.

Regierungseinlenken

Am Freitag, 14. November, dem dritten Streiktag, lenkte die Regierung teilweise ein und versprach, statt einem gesetzlichen Eingriff ins Dienstrecht darüber Verhandlungen zu führen. Nach 66 Stunden war der Streik beendet. Rund 3.500 Personenzüge, 2.500 Güterzüge und 1.500 betriebsinterne Züge sind laut ÖBB-Angaben pro Tag beim bisher längsten EisenbahnerInnenstreik vom 12. bis zum 14. November 2003 in Österreich ausgefallen.

Einbahnerstreikgeschichte

Vorher streikten die EisenbahnerInnen in der Zweiten Republik nur drei Mal: Am 23. März 1965 wurde 24 Stunden lang für einen höheren Gehaltsabschluss gestreikt. Gegen die Pensionskürzungen streikten die EisenbahnerInnen im Frühjahr 2003: In der Nacht vom 5. auf den 6. Mai gab es für 12 Stunden keinen Güterverkehr. Ein weiterer 23-stündiger Streik dazu folgte am 3. Juni des Jahres: Der gesamte Personenverkehr der ÖBB stand still.

Hebenstreit: Verteilungskämpfe werden härter

Vor zehn Jahren standen alle Räder auf Österreichs Schienen still. Fast drei Tage lang im November fuhren keine Züge mehr, die Bahnhöfe waren menschenleer. Für die EisenbahnerInnen und ihre Gewerkschaft war es der größte Streik in der Zweiten Republik. Ein Jahrzehnt später zieht der jetzige ÖBB-Konzernbetriebsratsvorsitzende, vida-Gewerkschafter Roman Hebenstreit, ein Resümee: „Die Verteilungskämpfe werden härter, da müssen wir uns drauf einstellen", sagt er im Gespräch mit der Austria Presseagentur (APA).

Beim EisenbahnerInnenstreik im Jahr 2003 war Hebenstreit Betriebsrat für Lokführer im Raum Graz. "Es war ein politischer und ein klassischer Streik", meint er im Rückblick. Die EisenbahnerInnen hätten damals ihre Verantwortung wahrgenommen und die ÖBB-Struktur in Österreich erhalten wollen - was sich heute als richtig herausgestellt habe. Statt einer Zerschlagung und Privatisierung seien die Bundesbahnen heute ein einheitlicher integrierter Konzern mit einer immer besser werdenden Performance.

Breite Solidarität, aber auch Drohungen hätten die EisenbahnerInnen damals erhalten, erinnert er sich. In der Steiermark habe der - heutige Landeshauptmann - Franz Voves (SPÖ) die streikenden EisenbahnerInnen besucht. Von spontaner Zustimmung durch Künstlergruppen bis zum breiten Rückhalt in der österreichischen Gewerkschaftsbewegung reichte der Bogen. Das damalige Bahn-Management hingegen habe den EisenbahnerInnen vor dem Streik mit Entlassungen und Schadenersatzklagen gedroht, wenn jemand die Arbeit niederlege. In den Medien habe es eine "Hatz" auf Eisenbahner gegeben. Unter den EisenbahnerInnen habe beim Streik dennoch Geschlossenheit geherrscht.

Die von den Arbeitgebern heute immer wieder geforderte "Flexibilisierung" in punkto Arbeitszeiten erhöhe nur den Druck auf die Belegschaft weiter, um die Dividenden zu steigern. Speziell die EisenbahnerInnen sieht der ÖBB-Konzernbetriebsratschef auch durch die von der EU forcierte Liberalisierung unter zunehmenden Druck. Der von Brüssel propagierte "Wettbewerb" laufe bei den Bahnen darauf hinaus: "Wer beutet seine Hackler am stärksten aus?" und führe zu Auslagerungen und Lohndumping. Diesem gefährlichen Trend müssten die Gewerkschaften gegensteuern, um die Lebens- und Arbeitsqualität in Europa zu erhalten.

Für dich da! Gewerkschaft vida Fachbereich Eisenbahn Johann-Böhm-Platz 1
1020 Wien
+43 (0) 1 534 44 79 590 +43 (0) 1 534 44 102 530 eisenbahn@vida.at
Über uns

Der Fachbereich Eisenbahn in der Gewerkschaft vida vertritt die Interessen aller Arbeitnehmer:innen der österreichischen Eisenbahnverkehrs- und Seilbahnunternehmungen. Er vereint Kolleginnen und Kollegen in den unterschiedlichsten Berufen, welche in der Schieneninfrastruktur, der Traktion, den Werkstätten, im Personen- und Güterverkehr oder im Bereich Managementservices beschäftigt sind. Damit die Beschäftigten ihre Arbeit unter guten und sicheren Bedingungen erbringen können, gestaltet vida aktiv mit. Die Sicherung bestehender und die Schaffung neuer Arbeitsplätze gehören genauso zu unseren Zielen wie zukunftsorientierte Einkommen und moderne, sichere und altersgerechte Arbeitsplätze. Nationale und internationale Vernetzung, Lobbying und kompetente Grundlagenarbeit zählen zu unseren täglichen Aufgaben. Darüber hinaus machen wir uns für den Schutz und Ausbau der Daseinsvorsorge im Verkehr stark. Denn ein Aushungern des Öffentlichen Verkehrs kostet nicht nur hunderttausenden ÖsterreicherInnen ihre Mobilität und Chancen, sondern auch tausenden unserer MitarbeiterInnen ihren Arbeitsplatz.

Fachbereichsvorsitzender: Gerhard Tauchner
Fachbereichssekretär:innen: Sabine Stelczenmayr, Dominik Pertl, Robert Hofmann
Betreuung Seilbahnen: Kajetan Uriach