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Endlich Fairness für die HeldInnen der Krise

Gerechtigkeit statt Ausbeutung für Europas Verkehrsbeschäftigte.

Ein Gastbeitrag von AK-Verkehrsexperten Gregor Lahounik

Die Corona-Krise wirft ein helles Licht auf die Beschäftigten im Verkehr, waren und sind sie doch der beste Garant dafür, dass Alle das bekommen, was sie brauchen. Nicht ganz so im Lichte stehen allerdings deren Arbeitsbedingungen. Löhne von denen man nicht leben kann, Arbeitszeiten jenseits von Gut und Böse, monatelang fernab der Familie sind europaweit die Regel und nicht die Ausnahme. Insofern erscheint der Ruf nach der „Rückkehr zur alten Normalität“ für die 11 Millionen Verkehrsbeschäftigten in der EU vielfach eine Drohung zu sein.

Der billige und schrankenlose Warenverkehr ist vor allem deshalb möglich, da er auf dem Rücken der Beschäftigten erfolgt. Der Beruf des „Fernfahrers“ hat schon lange seine Wild-West-Romantik verloren und der Arbeitsalltag der Beschäftigten ist geprägt von

  • langen Zeiträumen fernab von Daheim und fernab von der Familie,
  • einer katastrophalen Entlohnung,
  • unzumutbaren hygienischen Bedingungen,
  • enormen Druck und
  • überlangen Arbeitszeiten.

Entlohnt werden die Beschäftigten nach uneinheitlichen Bedingungen, zumeist nach jenen des Heimatlandes der Verkehrsbeschäftigten. Der Lohn für bulgarische BerufskraftfahrerInnen beträgt in Bulgarien etwas über 250 Euro im Monat. Selbst wenn man diverse Zulagen hinzurechnet, ist das nicht ausreichend um monatelang in (europäischen) Hochpreisländern unterwegs sein und davon sein Leben und das seiner Familie bestreiten zu können. Viele ArbeitnehmerInnen können sich weder (tägliche) frische, warme Mahlzeiten noch die Preise sicherer Parkplätze und deren Sanitärräume leisten. Es muss auch nicht einmal immer bei den vereinbarten Entgelten bleiben, Lohn und Zulagen haben oft auch eine (zum Teil verbotene) Akkord- und Pünktlichkeitskomponente, ebenso werden hoher Spritverbrauch oder zu stark abgefahrene Reifen in Rechnung gestellt.

Schichten über mehrere Monate sind im Verkehr an der Tagesordnung, zum Teil völlig legal, zum Teil können sie mit Hilfe von illegalen Praktiken, wie fingierten Urlaubsscheinen, mit einer erschreckenden Leichtigkeit umgangen werden. Gleichermaßen werden bei den Lenkzeiten die verpflichtenden Aufzeichnungsgeräte manchmal außer Betrieb gesetzt. ArbeitnehmerInnen werden dazu gedrängt andere Tätigkeiten bei der notwendigen Ruhezeit nicht zu berücksichtigen (Be- und Entladen, Fahrzeugkontrolle usw.). Dies selbst dann, wenn diese Tätigkeiten körperlich anstrengend sind oder sehr lange dauern. >>> Übermüdung und Stress sind daher ebenso an der Tagesordnung wie Geschwindigkeitsüberschreitungen.

Die Lücken in den Europäischen Regelungen beim Schutz der Verkehrsbeschäftigten sind seit Jahren bekannt. In Kombination mit mangelnden Kontrollen sorgen sie dafür, dass systematisch jene Unternehmen belohnt werden, die Lohn- und Sozialdumping betreiben. Wissenschaftliche Studien kommen nicht von ungefähr zu dem Schluss, dass die  Transportkosten über 50% höher liegen müssten, würden nur die grundlegendsten Bestimmungen (wie Arbeitszeiten und Geschwindigkeiten) eingehalten werden. Alles in Allem eine extreme Belastung für die Beschäftigten, die schon seit Jahren bekannt ist.

Anerkennung für die HeldInnen?

Die derzeitigen Arbeitsbedingungen hindern die Unternehmen allerdings nicht daran, weitere Verschärfungen der ohnedies inakzeptablen Beschäftigungsbedingungen zu fordern. Covid 19 ist ein willkommener Anlass dafür, Lohn-und Sozialdumping zu verschärfen und zu legalisieren. Die Palette reicht dabei bei allen Verkehrsträgern vom weiteren Aushebeln der Lenk- und Ruhezeiten, dem Lockern der Wochenendfahrverbote, dem Aussetzen der Gesundheitsuntersuchungen bei den Beschäftigten bis hin zu Lohnvorschlägen die ein Hohn sind. Gleichermaßen sollen, geht es nach den Unternehmen, die Intervalle bei der technischen Untersuchung von Fahrzeugen verlängert werden als würde ein Virus einen wundersam positiven Einfluss auf Materialstabilität, etwa bei Gefahrgutkesselwägen, haben.

Wundersam ist dabei vor allem die Dreistigkeit mit der diese Vorschläge vorgebracht werden und dass die Politik sogar bereit ist, diese umzusetzen um die Unternehmen zu entlasten. Das Ergebnis ist die Entlastung auf der Unternehmensseite und noch mehr Belastung bei denen, die das System am Laufen halten, den ArbeitnehmerInnen. Mit Schande ist die derzeitige EU-Politik noch sehr freundlich umschrieben. Erstklassige HeldInnen verdienen in jedem Fall mehr, als Arbeitnehmerinnen zweiter Klasse zu sein.