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Gewalt in Öffis

Immer öfter werden MitarbeiterInnen Opfer von verbalen oder körperlichen Attacken.

Gewalt ist ein gesellschaftliches Problem. Gewalt kommt in Familien, Beziehungen und in den verschiedensten Berufen vor. Gewalt hat verschiedene Facetten und reicht von verbalen Attacken bis hin zu physischen Angriffen. Gewalt kann nicht akzeptiert werden, daher ist es notwendig und wird es auch zukünftig notwendig sein, die Zivilcourage in der Bevölkerung zu fördern.

Von Seiten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird Gewalt in der Arbeitswelt wie folgt definiert: „In Zusammenhang mit der Arbeit stehende Ereignisse einschließlich des Weges von und zur Arbeit, bei denen Mitarbeiter beschimpft, bedroht oder angegriffen werden und die eine ausgesprochene oder unausgesprochene Drohung gegen deren Sicherheit, Wohlergehen oder Gesundheit beinhalten.“
Gewalt von außen oder innen 
Auch die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz definiert Gewalt umfassend als „jeden Vorfall, bei dem eine Person an ihrem Arbeitsplatz missbraucht, bedroht oder tätlich angegriffen wird, und durch den ihre Sicherheit, Gesundheit, ihr Wohlergehen oder ihre Arbeitsleistung gefährdet werden. Hierzu gehören Beleidigungen, Bedrohungen, körperliche oder psychische Angriffe“. Sie unterscheidet dabei zwischen „Gewalt von außen“ und „Gewalt von innen“. Viel hat sich in den vergangenen Jahren verändert: Zwar ist die Anzahl der gemeldeten Arbeitsunfälle durch Übergriffe weitgehend konstant. Die Problematik „Gewalt im Fahrdienst“ wird aber heute anders wahrgenommen, breiter diskutiert und auch von den Medien aufgegriffen. In der Vergangenheit wurde oftmals davon gesprochen, dass dies zum Arbeitsalltag bzw. Arbeitsrisiko gehört. Das ist falsch.

Gewalt ist auch seelische Verletzung

Den meisten Übergriffen geht ein verbaler Konflikt voraus und zumindest bei einem Teil der Konflikte ist deren Verlauf beeinflussbar. Art und Schwere der Übergriffe haben sich verändert. Gewalt hat eben viele Gesichter und kann in vielerlei Formen auftreten. Im juristischen Sinne liegt Gewalt vor, wenn jemand einen anderen bewusst körperlich verletzt oder absichtlich eine Sache zerstört, die einem anderen oder der Allgemeinheit gehört (z. B. die Beschädigung eines Waggons).
Im psychologischen Sinne gehört alles zur Gewalt, was einen Menschen seelisch verletzt. Dabei ist die Wahrnehmung der betroffenen Person entscheidend: Gewalt ist, was jemand als Übergriff empfindet. Das beinhaltet auch verbale Attacken und Mobbing.

MitarbeiterInnen in öffentlichen Verkehrsmitteln sind meist von Gewalt durch Fahrgäste betroffen. Sicherheit in U-Bahnen, S-Bahnen, Straßenbahnen und Bussen ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Akzeptanz und Qualität von Öffis. Von Gewalt und Vandalismus sind sowohl die Wiener Linien als auch die ÖBB betroffen. Das Thema hat daher bei solchen Unternehmen höchste Priorität und zeigt auch die Verantwortung gegenüber Fahrgästen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
 Gefährdungssituationen in Unternehmen des öffentlichen Verkehrs müssen sorgfältig analysiert werden, sie treten örtlich und zeitlich sehr unterschiedlich auf. Von Seiten der Gewerkschaften, der Betriebsrätinnen und Betriebsräte sowie der PersonalvertreterInnen muss gegenüber dem Management des jeweiligen Unternehmens deutlich gemacht werden, dass Gewalt gegen MitarbeiterInnen nicht hingenommen wird. Durch eine Vielzahl an Maßnahmen und den offenen Umgang mit dem Thema Gewalt kann das Vertrauen der MitarbeiterInnen gestärkt werden. Es gilt, offen an diese Problematik heranzugehen.

Rempeleien, Anspucken, Schläge, Kratzer und Bisse hinterlassen nicht nur körperliche Spuren bei den Opfern, jede Gewalterfahrung verletzt auch die Seele. Gerade deshalb ist das Projekt „Tatort Arbeitsplatz – Gib der Gewalt im Job keine Chance“ so wichtig. Dazu gehören Seminare für Betriebsrätinnen und Betriebsräte sowie PersonalvertreterInnen, Seminare für Gewerkschaftsmitglieder, die Bereitstellung von Materialien und Unterlagen, das Ausarbeiten von Betriebsvereinbarungen zum Thema Gewalt oder psychologische Beratungen.

Seit über zehn Jahren gibt es bei den Berliner Verkehrsbetrieben BVG ein Vorzeigeprojekt. Unter dem Motto „Handeln statt zusehen“ wurde das Projekt „BVG-Schülerbegleiter“ gestartet, mit ausgezeichnetem Erfolg. Ziel ist es, Konflikte zwischen Gleichaltrigen in Bussen des öffentlichen Verkehrs zu schlichten und zu deeskalieren. Tatort Arbeitsplatz

Die Dienstleistungs- und Verkehrsgewerkschaft vida führt seit zwei Jahren in Kooperation mit der GdG-KMSfB das Projekt „Tatort Arbeitsplatz“ erfolgreich durch. Nun setzen sich die beiden Gewerkschaften dafür ein, die Jugend besser und sichtbarer in das Projekt einzubinden. Dabei dient ihnen das Beispiel der Berliner Verkehrsbetriebe als Vorbild – anstatt das Rad neu zu erfinden, versuchen vida und GdG-KMSfB Bewährtes an lokale Gegebenheiten und Vorstellungen anzupassen. Wichtige Voraussetzungen dafür sind, offen über Gewalt zu reden, zu wissen, man steht mit dem Problem nicht allein da, und nichts unter den Teppich zu kehren. Das gilt es einzuhalten.

Ziel eines solchen Projekts mit Jugendlichen ist nicht nur die Schaffung eines Problembewusstseins in der Öffentlichkeit, sondern auch der offene Umgang von Verkehrsunternehmen mit der Thematik Gewalt. Das klare Ansprechen eines gesellschaftlichen Problems und das gemeinsame Suchen nach Lösungsansätzen wären ebenso positive Effekte wie das Erarbeiten eines Projektes mit Jugendlichen und für diese, zugleich könnte man das Sicherheitsgefühl in den Öffis fördern. KooperationspartnerInnen und Mitstreiter verstehen sich da von selbst, vor allem, um die Nachhaltigkeit zu gewährleisten. So befinden sich vida und GdG-KMSfB in laufenden Gesprächen mit potenziellen Partnerinnen und Partnern.

Das Projekt würde zudem zur Prävention von Gewalt beitragen, indem es die Fahrgäste in den Prozess der sichtbaren Gewaltprophylaxe einbezieht, wodurch eine Partnerschaft zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Fahrgästen und Jugendlichen entstehen kann. In den einzelnen Verkehrsunternehmen werden Jugendliche in den verschiedensten Lehrberufen ausgebildet, sie sind ausgezeichnete MultiplikatorInnen. Gerade Lehrlinge sind motiviert und sprechen außerdem die Sprache der Jugendlichen.

Theorie und Praxis der Zivilcourage 
Das Projekt selbst soll auch der Vermittlung von Theorie und Praxis zum Thema Zivilcourage dienen und durch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden.
 Eine begleitende Ausbildung der Lehrlinge könnte sich in drei Blöcke gliedern. So sollen ihnen nicht nur die gesetzlichen Möglichkeiten und Rahmenbedingungen nähergebracht werden, sondern auch praktische Kenntnisse im Umgang mit Konfliktsituation und Deeskalation vermittelt werden. Ein wichtiges Ziel der Ausbildung ist die Stärkung der Zivilcourage und deren richtiger Einsatz. Respekt, Wertschätzung und Anerkennung fehlen in der heutigen Berufswelt leider allzu oft, dieses Projekt hat daher das Ziel, genau diese Punkte abzudecken. Eine Schulung sollte selbstverständlich nachhaltig wirken und mit einem Zertifikat belohnt werden. Begleitende Öffentlichkeitsarbeit und sichtbares Auftreten im öffentlichen Raum – in öffentlichen Verkehrsmitteln – könnten zu einem positiveren Verständnis führen. Bewusstes Bewerben der Aktion mittels Flyern oder Infoständen, gemeinsam mit MitarbeiterInnen der Unternehmen, würde eine Abrundung solcher Maßnahmen darstellen. Natürlich müsste gewährleistet sein, dass die Lehrlinge freiwillig an so einem Projekt teilnehmen. Und das ganz nach dem Motto des Schauspielers und prominenten Unterstützers von „Tatort Arbeitsplatz“ Wolfgang Böck: „Freunde, Gewalt löst kein Problem. Mehr Respekt! Miteinander statt gegeneinander.“

Von einer Umsetzung der vorher beschriebenen Idee eines Projekts „Jugendliche gegen Gewalt im öffentlichen Verkehr“ profitieren Gewerkschaften, Betriebsrätinnen und Betriebsräte, PersonalvertreterInnen sowie die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs. Eben eine Partnerschaft gegen Gewalt und Vandalismus.