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Mogelpackung Pflegereform

Scharfe Kritik der Kärntner Gewerkschaften aus den Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufen

Als eine Mogelpackung bezeichnen die Kärntner Gewerkschaften aus den Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufen die von der Bundesregierung vor einem Jahr groß angepriesene Pflegereform. „Es wurden nicht nur etliche Versprechen gebrochen, sondern auch die Belastung des Pflegepersonals und die prekäre Versorgungssicherheit der Bevölkerung weiter in Kauf genommen“, zieht Silvia Igumnov, Landesvorsitzende der Gewerkschaftsfrauen in Kärnten Resümee. 

Mit etlichen Protestmaßnahmen machten die Gewerkschaften in den vergangenen Jahren die Politik auf die Notwendigkeit von Verbesserungen für die Beschäftigten in den Pflegeberufen aufmerksam. Als Reaktion wurde eine Pflegereform beschossen, die sich nun – ein Jahr später – als „große Mogelpackung“ entpuppte. Bis 2030 sollen laut der Gesundheit Österreich GmbH mehr als 75.000 Fachkräfte in der Pflege fehlen. „Die Situation wird sich als noch weiter verschlechtern, während die Bundesregierung untätig dabei zusieht“, so Igumnov.

Entlastungswoche: Auf zahlreiche Berufsgruppen wurde „vergessen“

Für großen Unmut bei den Beschäftigten sorgt laut Mario Rettl (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst Kärnten), stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der KABEG, die von der Regierung versprochene „Entlastungswoche“ für die Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich. „Alleine im Klinikum Klagenfurt wurde bei der angekündigten zusätzlichen Urlaubswoche auf 77 Berufsgruppen vergessen. Hier wurden Beschäftigte, die die gleiche Tätigkeit verrichten, unterschiedlich behandelt“, so Rettl weiter. Auch dort, wo die Entlastungswoche zur Anwendung kam, bewirkte die Anrechnung von bereits bestehenden Zusatzurlaubstagen, dass kaum eine Verbesserung eingetreten ist. „Diese Maßnahmen schüren jedenfalls kein Vertrauen in die Politik“, so der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der KABEG.

Pflegebonus: Enttäuschung bei erfolgter Auszahlung war groß

„Das Versprechen eines zusätzlichen Gehalts als Bonus für pflegende Berufe suggerierte den Beschäftigten, dass sie eine Bonuszahlung in der Höhe ihrer aktuellen Bezüge erhalten würden. So wurde der Pflegebonus auch über alle möglichen Kanäle angekündigt“, erklärt Theres Marschnig (vida Kärnten), Betriebsrätin im Elisabethinen Krankenhaus. Die Enttäuschung nach erfolgter Auszahlung war den Beschäftigten laut Gewerkschaft vida ins Gesicht geschrieben, denn übrig blieb kein zusätzlicher Bonus, sondern ein Zuschuss zum Entgelt. „Ähnlich wie bei der Entlastungswoche, verhielt es sich auch mit dem Pflegebonus. Etliche Kolleginnen und Kollegen gingen leer aus. Der Pflegebonus dient lediglich als symbolische Geste, um von den strukturellen Problemen abzulenken“, kritisiert Marschnig.

Ungleichbehandlung im Behindertenbereich

Für großen Unmut sorgt die Pflegereform im Behindertenbereich. „Hier ist die Ungleichbehandlung der Beschäftigten besonders auffällig“, stellt Igumnov, die als Betriebsrätin bei der AVS die Problematik kennt. „Wenn zwei Personen mit unterschiedlicher Ausbildung ein und dieselbe Arbeit verrichten, ist es nicht nachvollziehbar, dass nur eine der beiden Anspruch auf Pflegebonus und Entlastungswoche hat“, so Igumnov. Von dieser Situation sind im Behindertenbereich etliche Beschäftigte betroffen. 

Ansturm auf Ausbildungsplätze ausgeblieben: Personalmangel eklatant

Valid Hanuna, Betriebsratsvorsitzender der AVS und Sprecher für Gesundheit und Soziales der Gewerkschaft GPA Kärnten, bezeichnet die Personalsituation in der Pflege als „alarmierend“. „Zwar wurden Bildungsoffensiven gestartet, bis diese aber Früchte tragen, wird es noch lange dauern. Erstens weil die Ausbildung Zeit benötigt, und zweitens ist der erhoffte Ansturm auf die Ausbildungsplätze ausgeblieben“, so Hanuna. Den Hauptgrund sieht er in den unattraktiven Arbeitsbedingungen in der Pflege. „Und das gilt für alle Bereiche“. Der Personalmangel in der Pflege sei laut Hanuna jedenfalls eklatant. „Natürlich führt das unweigerlich zu einer Überlastung des bestehenden Personals und in weiterer Folge zu Versorgungsengpässen der Patienten und Patientinnen“, so Hanuna weiter.

ÖGB und Gewerkschaften fordern „echte Pflegereform“ anstatt einer Mogelpackung

„Wir brauchen keine Mogelpackungen in der Pflege, dafür steht zu viel am Spiel“, warnt Silvia Igumnov. „Was es braucht, sind nachhaltige und faire Maßnahmen, um das Gesundheits- und Pflegesystem auch in Zukunft für die Bevölkerung sicherzustellen. Uns fehlt es hier nach wie vor an Entschlossenheit seitens der Bundesregierung, endlich ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um die Arbeitsbedingungen der Menschen, die diese wertvollen Berufe ausüben, zu verbessern und den Pflegebedürftigen die bestmögliche Betreuung zu ermöglichen“, so die ÖGB Landesfrauenvorsitzende abschließend.

Die Forderungen der Gewerkschaften im Detail:

  • Die Höhe des Pflegebonus muss an das versprochene Ausmaß angehoben werden und über das Jahr 2023 hinaus verlängert werden.
  • Die Errungenschaften der Kollektivverträge und die 6. Urlaubswoche dürfen für den Anspruch auf die Entlastungswoche nicht gegengerechnet werden.
  • Der Anspruch auf Pflegebonus und Entlastungswoche muss auf bisher nicht berücksichtigte Berufsgruppen in Krankenhäusern und im Bereich der Chancengleichheit (Behindertenbereich) erweitert werden.
  • Die finanziellen Mittel für Verbesserungen bei den Arbeitsrahmenbedingungen müssen zur Verfügung gestellt werden.