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„Kapitäne der Landstraßen“ in Not: vida, AK und FORBA fordern fairen Transport

Lohn- und Arbeitsbedingungen auf Europas Straßen fairer gestalten – es bedarf grenzüberschreitend durchsetzbarer und kontrollierbarer Regeln

Es muss sich viel ändern im Straßentransportgewerbe. Es braucht eine Auftraggeberhaftung in der Lieferkette, durchsetzbare Regeln für die Entlohnung im grenzüberschreitenden Lkw-Verkehr, mehr länderübergreifende Zusammenarbeit der Behörden und Organisationen. So könnte die Einhaltung der Entgelt- und Sozialvorschriften für die LKW-FahrerInnen nicht zuletzt auch wegen der Verkehrssicherheit aller besser kontrolliert werden, waren sich die ExpertInnen bei der Veranstaltung „Faire Arbeitsbedingungen im Transportgewerbe? Bestandsaufnahme und Einschätzungen zum EU-Mobilitätspaket“ einig. Seit Juli 2020 werden sukzessive die Bestimmungen des EU-Mobilitätspakets umgesetzt, die unter anderem auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie eine transparente und faire Entlohnung von LenkerInnen auf internationalen Touren abzielen sollten. Damit befasste sich auch das EU-Forschungsprojekt TransFair, das die inhaltlichen Grundlagen für die heutige Veranstaltung lieferte.

Unsichere und niedrige Entlohnung, lange stressige Arbeitstage sowie wochen- bis monatelange Abwesenheiten von zu Hause prägen das Berufsbild der Beschäftigten im Straßenverkehrssektor. Der steigende Druck auf die Arbeitsbedingungen der FahrerInnen – viele von ihnen kommen aus Osteuropa oder Drittstaaten – „führt nicht nur zu großen sozialen Herausforderungen, sondern beeinträchtigt auch die Verkehrssicherheit“, kritisierte Sylvia Leodolter, Leiterin der Abteilung Umwelt und Verkehr in der AK Wien, zu Beginn der Veranstaltung.

Drastischer formulierte dies Karl Delfs, Bundessekretär für den Bereich Straße in der Verkehrsgewerkschaft vida: „Der Wettbewerb auf der Straße basiert stark auf Kostenfaktoren. Spediteure und Kunden üben daher einen hohen Kosten- und Leistungsdruck auf die Transportunternehmen am unteren Ende der Kette aus. Unrechtmäßige Praktiken bei Beschäftigung und Unternehmensgebarung sind keine Seltenheit. Die unmittelbaren Folgen von Verstößen gegen die Sozialvorschriften - Übermüdung der Fahrer, zu kurze Ruhezeiten und zu lange Lenkzeiten sowie nicht-korrekte Entlohnung – trägt das letzte Glied der Kette, die Lenkerinnen und Lenker.“ Als Ausweg fordert Delfs eine Auftraggeberhaftung für Spediteure und Kunden ein, um sie für bessere Arbeitsbedingungen in die Verantwortung zu ziehen.

Neben klaren Regelungen bei der Umsetzung des EU-Mobilitätpakets, was vor allem auch zur Klärung und Durchsetzung von Mindestlohnvorschriften im grenzüberschreitenden Transport wichtig ist, ist es unerlässlich, bei Kontrollen die Transportkette mittels Fahrtenschreiber und Fahrerkarte aufschlüsseln zu können, sagte Bettina Haidinger von der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA). „Die Verstöße reichen von Unterbezahlung aufgrund einer falschen Angabe des gewöhnlichen Arbeitsortes des Lenkers bis hin zur Nichteinhaltung der Entsendevorschriften, von distanzabhängiger Vergütung anstelle eines Stundenlohns bis hin zu unzulässigen Lohnabzügen.“

Umfassende Rechtsvorschriften und die komplexen, grenzüberschreitenden Geschäftsmodelle in der europäischen Transportbranche machen es den Behörden schwer, Verstöße der Transporteure gegen die Sozialvorschriften festzustellen.

Kontrollen und Arbeitsinspektion müssen daher ebenfalls vermehrt grenzüberschreitend organisiert und durchgeführt werden – mit Schwerpunkt auf ArbeitnehmerInnenrechten und Straßenverkehrssicherheit. Verschiedene Behörden, wie Verkehrspolizei und Finanzpolizei, aber auch Transport-, Arbeits- und Sozialversicherungsbehörden und die Europäische Arbeitsbehörde (ELA) sollen daran stärker teilnehmen. „Auch der Austausch von Informationen und über bewährte Praktiken, neue Regelungen und konkrete Kontrollmethoden muss intensiviert werden“, betont Haidinger.

vida-Gewerkschafter Delfs spricht sich für eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Behörden aus. Bei koordinierten Straßenaktionen unter Beteiligung etwa der Finanzpolizei könnten die LenkerInnen über die Durchsetzung ihrer Rechte besser informiert werden. „Oft verfügen die LenkerInnen über wenig Wissen bezüglich ihrer Ansprüche und Rechte, es mangelt ihnen an Vertrauen in die Kontrollorgane und sie sind nicht bereit, zu kooperieren und Informationen zu liefern. Gerade das ist aber entscheidend, um über Verstöße des Unternehmens zu erfahren und die LenkerInnen letztendlich davor schützen zu können“, bekräftigt Delfs.