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COVID-Jahrestag

EGÖD-Gewerkschaften fordern mit offenem Brief Wiederaufbau und Krisenbewältigung ein.

In einem offenen Brief, der auch von vida-Vorsitzendem Roman Hebenstreit unterzeichnet ist, erinnert der EGÖD (Europäischer Gewerkschaftsdachverband der Öffentlichen Dienste) an das Ausrufen der Covid-19 Pandemie durch die Weltgesundheitsorganisation WHO vor einem Jahr und an die schwerwiegenden Belastungen und Folgen für die ArbeitnehmerInnen.

Die Gewerkschaft vida fordert im Brief gemeinsam mit ver.di (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Deutschland), VPOD (Gewerkschaft im Service public, Schweiz), younion _ Die Daseinsgewerkschaft und der Gewerkschaft GPA ein breites Umdenken der Politik bezüglich öffentlicher Dienstleistungen und der Beschäftigten in diesem Bereich anlässlich dieses traurigen einjährigen Pandemie-Jubiläums.

Sparpolitik auf Kosten der öffentlichen Dienstleistungen

Schon vor der Pandemie herrschte eine europäische Sparpolitik mit Ideen aus der neoliberalen Mottenkiste. Angetrieben von Konzernen wurde versucht, öffentliche Dienstleistungen so weit wie möglich zu privatisieren. Das führte zu Personalmangel, Unterfinanzierung und unzureichenden Ressourcen, so die Gewerkschaften.

Spätestens seit dieser Pandemie wurde offensichtlich, dass ein gut funktionierender Sozialstaat, ein universelles und solidarisches öffentliches Gesundheitssystem sowie eine funktionierende, qualitativ hochwertige öffentliche Grundversorgung grundlegende Voraussetzungen sind, um den sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhalt – gerade in Krisenzeiten – zu garantieren.

Das Rückgrat der Gesellschaft stärken

Diese Leistungen sind das Rückgrat der Gesellschaft, wird der Sparstift angesetzt kostet das Leben, betonen die Gewerkschaften, die in ihrem offenen Brief bessere Arbeitsbedingungen, mehr öffentliche Investitionen und Steuergerechtigkeit fordern. Sie betonen auch, dass es eine traurige Tatsache ist, dass viele Menschen noch am Leben sein könnten, wenn in bestimmten europäischen Regionen das Gesundheitssystem nicht kaputtgespart worden wäre.

Hintergrund-Information

Im Europäischen Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst (EGÖD) sind Gewerkschaften aus ganz Europa zusammengeschlossen. Er vertritt acht Millionen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in ganz Europa. Der EGÖD ist eine starke gewerkschaftliche Stimme, die die Beschäftigten brauchen, sei es gegenüber den Arbeitgebern, dem Europäischen Parlament, der Kommission oder den nationalen Regierungen.

Anbei der Brief im Wortlaut:

Ein Jahr COVID-19-Pandemie: Warum wir den Wert unserer öffentlichen Dienste überdenken müssen.

Heute vor einem Jahr hat die Weltgesundheitsorganisation COVID-19 zu einer globalen Pandemie erklärt. Das vergangene Jahr hat in besonderer Weise die Stärken und Schwächen unserer Gesellschaften an den Tag gelegt. In Europa hat die Pandemie gezeigt, wie anfällig unsere öffentlichen Gesundheitssysteme sind. Ebenfalls wurde deutlich, dass diese Systeme in keiner Weise über die Kapazitäten verfügen, um eine solche dramatische Situation zu bewältigen. Die Tragödie besteht darin, dass dies keine überraschende Erkenntnis ist. Die europäischen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes haben schon lange vor dem Ausbruch der Pandemie gegen Personalmangel, Unterfinanzierung und unzureichende Ressourcen protestiert. Als sich die erste Welle ausbreitete, hat es kaum jemanden überrascht, dass die Gesundheitssysteme und die Pflegeheime völlig überfordert waren.

Es wirft ein trauriges Bild auf die neoliberale Politik, dass es erst einen Wendepunkt wie eine globale Pandemie geben muss, um anzuerkennen, dass wir gut finanzierte öffentliche Dienste und gut bezahltes Personal brauchen, das diese Dienste erbringt. Das vergangene Jahr hat die negativen Folgen von Privatisierungen und Etatkürzungen wohl unwiderlegbar gezeigt und allgemein zu der Erkenntnis geführt, dass wir die Bedeutung des öffentlichen Sektors neu bewerten müssen. Wir können nicht zu der Sparpolitik einer Welt vor Corona zurückkehren – beim Wiederaufbau müssen wir neue und bessere Wege gehen. Das ist an diesem Jahrestag die Botschaft der Millionen von Menschen, die im öffentlichen Dienst in Europa beschäftigt sind.

Die prioritäre Aufgabe besteht nun darin, möglichst schnell die öffentlichen Gesundheits- und Pflegesysteme zu stärken. Das erfordert eine öffentliche Finanzierung und den Abschied von einer Steuerpolitik, die Unternehmen und Reiche begünstigt. Die Regierungen müssen hier sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene tätig werden. Wir schulden dies unserem Gesundheits- und Pflegepersonal. Viele dieser Beschäftigten befinden sich aufgrund posttraumatischer Belastungsstörungen in Behandlung.

Im Gesundheits- und Pflegesektor gab es in Europa vor dem Ausbruch der Pandemie mehr als 100 Streiks. Die Gewerkschaften für die Gesundheits- und Pflegedienste werden ihre konfrontative Strategie weiterverfolgen und Lohnerhöhungen, bessere Arbeitsbedingungen, optimierte Personalbemessungen und unterstützende Dienstleistungen fordern.

Zwar sind Gesundheit und Pflege die Problemfelder, denen unsere unmittelbare Aufmerksamkeit gilt, aber es gibt noch weitere öffentliche Dienste, die an vorderster Front in dieser Krise im Einsatz sind. Beschäftigte in öffentlichen Diensten wie der Abfallwirtschaft, der Wasser- und Energieversorgung, der Sozialversicherung und den Arbeitsvermittlungen sowie der kritischen Infrastruktur und Grundversorgung leisten einen entscheidenden Beitrag zum Funktionieren unserer Gesellschaft und bei der Bewältigung der sozioökonomischen Auswirkungen der Lockdown-Maßnahmen. Ihre Rolle wird für die Erholung von der Wirtschaftskrise noch wichtiger werden. Es sind mehr Investitionen erforderlich, um die Verfügbarkeit und Qualität von Dienstleistungen zu gewährleisten und um den Zugang zu Sozialleistungen, Wohnungen, Wasser, Energie und Bildung sowie die Finanzierung der Städte und Gemeinden zu sichern.

Dem öffentlichen Sektor kommt ebenfalls die besondere Rolle zu, Gesellschaften aufzubauen, die resistenter gegen Katastrophen sind. Das beginnt bei der Kreislaufwirtschaft und geht über grüne Transportsysteme bis hin zu einer sauberen öffentlichen Infrastruktur. Aufbau- und Resilienzfazilitäten auf nationaler Ebene und auf Ebene der EU sollten zu diesem Zweck verwendet werden, anstatt wieder das Repertoire der üblichen Fehlentscheidungen wie Privatisierungen und öffentlich-private Partnerschaften zu bevorzugen.

Diese beispiellose Gesundheitskrise zeigt, dass die EU in Erwägung ziehen sollte, in bestimmten Sektoren wieder selbst das Heft in die Hand zu nehmen und damit den Bürgern und Bürgerinnen in Europa Sicherheit zu geben. Dazu gehören die Produktion von Pharmazeutika und persönlichen Schutzausrüstungen. Die EU sollte ebenfalls darüber nachdenken, in Europa Kompetenzen im Gesundheitsbereich aufzubauen, die über diejenigen in den Mitgliedstaaten hinausgehen und uns in die Lage versetzen, sowohl in der EU als auch in Drittländern Pandemien in den Griff zu bekommen. Die während dieser Krise aufgezeigten Defizite verdeutlichen, dass ein großer Teil des EU-Wiederaufbaufonds für Investitionen in öffentliche Dienste verwendet werden muss, denn diese repräsentieren die universellen Werte, für die die EU steht.

Als führender europäischer Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst werden wir mit vielen anderen Akteuren für Gleichstellung im Arbeitsmarkt, bessere Arbeitsbedingungen und mehr öffentliche Investitionen kämpfen. Als Teil einer zunehmend größeren Bewegung stehen wir für Steuergerechtigkeit, damit große Unternehmen ihren fairen Anteil zahlen und zunehmende Ungleichheiten korrigiert werden. Es ist wichtig, dass im Zuge der Erholung von der bisher schlimmsten Wirtschaftskrise unserer Geschichte die Erwerbstätigen, die Gemeinschaften und unser Planet wichtiger sind als die Gewinne einiger weniger Profiteure.

Für den Europäischen Gewerkschaftsdachverband der Öffentlichen Dienste:
Mette Nord
, EGÖD-Vorsitzende
Jan Willem Goudriaan, EGÖD-Generalsekretär

Für die österreichischen Mitgliedsgewerkschaften in dem EGÖD:
Thomas Kattnig, EGÖD-Vizepräsident, younion _ Die Daseinsgewerkschaft
Barbara Teiber, Bundesvorsitzende der GPA
Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft vida
Hannes Gruber, Vorsitzender FSG-GÖD   

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