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Ein ganz „normaler“ Corona-Arbeitstag

Beschäftigte aus dem Gesundheits- und Pflegebereich erzählen.

Es ist kurz vor sieben Uhr morgens. Ines sitzt erschöpft auf einem Sessel im Krankenhaus. Der Nachtdienst der Krankenpflegerin ist gleich vorüber, die Nacht war wieder sehr anstrengend. „Locker war der Job nie, aber Corona hat die Situation verschärft. Und das, was die letzten Wochen und Monate passiert ist, bringt uns an die Grenze des Belastbaren“, sagt sie. Was sie meint? Seit Monaten arbeiten Krankenhausbeschäftigte im Akkord, für Verschnaufen bleibt fast keine Zeit.

Positiv und trotzdem in die Arbeit?

Und Arbeiten trotz positivem Corona-Test, wie es durch die Medien geisterte? „Bei uns ist das zwar nicht vorgekommen bis jetzt, aber wenn die Personaldecke dünn ist, dann wird auf so etwas zurückgegriffen“, erzählt die 32-jährige Mutter einer Tochter, die die Entscheidungen der Politik hinsichtlich der Pandemie nicht immer verstanden hat. „Leider hat die Verordnung es tatsächlich zugelassen, dass positiv auf Corona getestetes Personal weiterhin am Patienten arbeiten darf. Das ist neben der psychischen Komponente, nämlich zu wissen, das Virus in sich zu tragen und trotz größter Vorsicht und Schutzausrüstung andere möglicherweise anzustecken, auch medizinisch gesehen ein Risiko für die Beschäftigten und die Patienten in den Krankenhäusern.“

Es fehlt an Menschen

In den Krankenhäusern kämpft man seit Monaten gegen das Virus, um „nur mit keinen italienischen Verhältnissen“ konfrontiert zu werden. Die Erzählungen und Berichte aus Kliniken, in denen Betten für Intensivpatienten fehlen, Pflegekräfte am Ende sind, Menschen ohne ihre Angehörigen sterben, gingen um die Welt. Im Falle Österreichs fehle es aber vor allem am Personal für die Intensivstationen – ganz nach dem Motto: „Bevor uns die Betten ausgehen, geht uns das Personal aus.“ Interessantes Detail, das auch Ines betont: Es gab – zumindest in ihrem Betrieb – immer genug Kolleginnen und Kollegen, die sich freiwillig für den Dienst in Covid-19-Stationen gemeldet haben.

Bester Schutz für alle

Dabei ist es längst nicht nur der Job, den das Virus beeinflusst. Krankenpfleger Manfred, der gemeinsam mit Ines Nachtdienste schiebt, wohnt gemeinsam mit seinen Kindern, seiner Frau und den Schwiegereltern in einem Haus. „Man hat Angst, dass man das Virus mit nach Hause nimmt, ganz klar. Aber wir können nichts tun, als uns bestmöglich zu schützen“, so der 40-Jährige. Das Thema Schutz war aber gerade am Beginn der Pandemie alles andere als selbstverständlich. Es fehlte an Masken, Handschuhen und Desinfektionsmitteln. Mittlerweile fühlen sich Manfred und seine KollegInnen gut geschützt. „Man muss ganz einfach sagen, dass die Pandemie eine Überforderung für alle Bereiche war. Da sind Fehler passiert, über die man hinwegsehen kann. Man darf sie aber nicht wieder machen. Das ist leider passiert. Die Regierung versucht selbst in der Krise zu sparen, und das geht nicht. Der Schutz der Beschäftigten muss an erster Stelle stehen“, stellt der Krankenpfleger klar und betont, dass es nicht nur an den Beatmungsplätzen einer Klinik einen Unterschied macht, ob ein einzelner Patient kommt oder mehr als 100 gleichzeitig erscheinen. Und es ist für die Gesundheit und damit die Funktionskraft eines ganzen Hauses nicht relevant, ob diese Patienten schwer krank sind oder nur leichte Symptome zeigen. Allein schon das Risiko einer Verseuchung ganzer Stationen, die Gefahr, dass die Lage kippen könnte, verändert alles im Alltag eines Krankenhauses.

Es kann jeden treffen

Die zweite Welle ist aufgrund der um ein vielfaches höheren Zahl der Neuinfizierten auch nicht mit der im Frühjahr zu vergleichen. Zwar habe man in den vergangenen Monaten weitere Beatmungsgeräte beschafft, das Personal stoße jedoch an seine Grenzen. „Niemand ist vor Unfällen oder plötzlichen Krankheiten gefeit. Es kann jeden treffen, der rasch eine Intensivbehandlung benötigt“, betonte der Krankenhausbeschäftigte in Bezug auf die Bettenkapazitäten der Spitäler.

Seit Monaten nicht umarmt

Szenenwechsel: Während für Ines und Manfred der Dienst endet und sie schlafen gehen, ist Svetlana gerade auf dem Weg in die Arbeit. Sie ist Pflegeassistentin und nicht alleine im Auto. Die gebürtige Slowakin arbeitet mit ihrer Mutter gemeinsam und sie fahren oft gemeinsam. Die beiden sind sich einig: Corona hat alles verändert. Der Arbeitstag beginne gedanklich schon eine Stunde früher als sonst. „Der Schutz vor Corona beginnt und endet ja nicht an der Tür zum Pflegeheim, sondern ist allgegenwärtig“, erklärt sie. Ihre Mutter ist 62 Jahre alt und damit noch nicht Risikoperson. „Ich mache mir trotzdem Sorgen um meine Mama, aber wir tragen eben auch im Auto Masken.“ Man trifft sich zwar in den eigenen vier Wänden, doch umarmt hat sie ihre Mama schon seit März nicht mehr. Gleiches gelte für ihre Kolleginnen und Kollegen. „Wir haben ein gutes Klima und herzen uns auch immer wieder einmal in der Arbeit, aber das geht im Moment überhaupt nicht“, erzählt die in Wiener Neustadt lebende 37-Jährige.

Mehr Personal, bitte

Wie im Krankenhaus ist auch im Pflegeheim Corona allgegenwärtig und auch der Gedanke daran, sich mit dem Virus zu infizieren. Das Gefühl? Immerhin arbeiten die Pflegekräfte zu einem überwiegenden Teil mit Menschen über 65 Lebensjahren und somit mit Risikopersonen: „Ganz ein komisches. Du verlässt dich drauf, dass bei den Tests alles richtig gemacht wurde und alles, was du über falsche Ergebnisse bei Testungen gelesen hast, Gerüchte sind. Du schützt sowohl dich und vor allem andere Menschen“, erzählt Svetlana, die auch schon einmal Kontaktperson war, damals aber sowieso dienstfrei hatte. Die Belastung für Pflegepersonal ist nicht nur wegen Corona hoch. „Corona hat Problemstellen aufgezeigt. Es bleibt aber keine Zeit, darüber zu reden. Wir können nur hoffen, dass die Pandemie bald vorübergeht und endlich mehr Personal zur Verfügung steht. Das würde vieles erleichtern“, sagt die Pflegeassistentin, die an Situationen denkt, wo einem dementen Menschen nicht verständlich zu machen ist, dass er jetzt Masken tragen muss. „Du kannst einem Demenzkranken aber nicht die ganze Zeit hinterherrennen.“

Svetlana weiß über den Personalnotstand in den Heimen Bescheid. „Die Kolleginnen und Kollegen haben teilweise keine Zeit zu verschnaufen. Es braucht hier dringend Anpassungen, bevor sich das Personal für eine andere Branche entscheidet. Die Politik darf die Beschäftigten nicht ihrem Schicksal überlassen.“ Auch sie ist kurz davor, die Branche zu wechseln. Aber nicht, weil ihr der Job keinen Spaß macht, sondern weil keine Zeit bleibt, für die Bewohnerinnen und Bewohner im Heim da zu sein. „Ich habe mich für den Beruf entschieden, weil ich gerne mit alten Menschen arbeite, aber wir arbeiten teilweise wie in Schichten und am Fließband.“Wir sind keine Helden

Plötzlich läutet das Handy – es ist Svetlanas Chefin, die ihr erzählt, dass der jüngste Corona-Test einer Kollegin – das Pflegepersonal wird wöchentlich getestet – positiv ist. Da Svetlana Kontaktperson ist, muss sie heute zu Hause bleiben. Was das heißt? Starke Änderungen im Dienstplan und äußerst flexible KollegInnen, die jederzeit einspringen, um die BewohnerInnen zu schützen. Planungssicherheit gibt es seit Monaten nicht. Dauerzustand dürfe das keiner werden. In diese Richtung geht auch ihr Appell an die Politik. „Ich spreche, so denke ich, für alle, egal ob Beschäftigte in Pflegeheimen oder Krankenhäusern, mobile Pflege und Betreuung oder RettungssanitäterInnen, alle machen ihre Arbeit sehr gerne und stehen gerne im Dienst für die Menschen. Wir sind auch keine Helden. Wir alle machen nur unsere Arbeit, wünschen uns aber, dass die Regierung uns endlich hört.“

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