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vida/VSÖ zu Vergaberecht/Bestbieterprinzip: „Gibt es Sicherheit um jeden Preis?“

Gewerkschaft und Bewachungsgewerbe fordern Auftragsvergaben nach dem Bestbieterprinzip – 1.500 Euro Mindestlohn in der Branche vereinbart.

Die Frage „Gibt es Sicherheit um jeden Preis?“ wird von Mag. Martin Wiesinger, Vorsitzender der Fachgruppe Sicherheitsdienstleister im Verband der Sicherheitsunternehmen Österreichs (VSÖ) und Geschäftsführer der Securitas GmbH, sowie von Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida, gemeinsam mit einem klaren Nein beantwortet. Billigstanbieter mit so gut wie keinem fix angestellten Personal machen mit Dumpinglöhnen und kurzfristig für ein paar Tage oder Wochen eingesetzten, kaum bis gar nicht ausgebildeten Billigarbeitskräften – zum Teil aus Österreichs Nachbarländern – heimischen Sicherheitsbetrieben, die sich an Kollektivverträge (KV) und faire Wettbewerbsregeln halten, das Leben schwer. Dumpingpreise untergraben bewährte Ausbildungs-, Qualitäts- und somit Sicherheitsstandards, kritisieren Hebenstreit und Wiesinger. vida und der VSÖ fordern deshalb die Bundesregierung zur Anwendung des Bestbieterprinzips auch bei der öffentlichen Vergabe von Aufträgen im Bereich der Sicherheits- und Bewachungsbranche auf.

„Unser Gewerbe ist ein boomender Wirtschaftszweig, der tausende qualifizierte Arbeitsplätze zu KV-Löhnen bereitstellt, sowie jede Menge Steuern und Abgaben abführt. Es ist nicht einzusehen, dass wir und unsere motivierten Beschäftigten wegen des Billigstbieterprinzips das Nachsehen haben und die Verlierer sein sollen“, sagt Wiesinger. „Vergaben nach dem Billigstbieterprinzip gefährden tausende gute Arbeitsplätze in Österreich. Dieses Verfahren begünstigt Betriebe, deren Fokus ausschließlich der Tiefstpreis ist. Aufgrund der Bestimmungen der europäischen Entsenderichtlinie können Betriebe aus dem Ausland dem österreichischen Staat für gewisse Zeiträume zusätzlich auch Steuern- und Abgaben entziehen. Nur so können sie ihre Dienstleistungen billiger anbieten. Was der Jobkiller Billigstbieterprinzip anrichten kann, ist mittlerweile hinlänglich aus der Baubranche und dem Linienbusbereich bekannt“, kritisiert Hebenstreit.  

Deshalb dürften europaweite Ausschreibungen und Vergaben der öffentlichen Hand zukünftig nur mehr nach dem Bestbieterprinzip unter bestimmten, von allen Unternehmen zu erfüllenden Sozial- und Qualitätskriterien vergeben werden, bekräftigen Hebenstreit und Wiesinger: „Nur so können der derzeit unfaire gegen heimische Betriebe und Arbeitsplätze ausgerichtete Wettbewerb sowie Lohn- und Sozialdumping wirksam vermieden werden.“      

400 Bewachungsbetriebe mit 16.000 Beschäftigten in Österreich 

In Österreich gibt es etwa 400 Bewachungsbetriebe, die fast 16.000 MitarbeiterInnen beschäftigen. Diese Betriebe erzielten 2016 rund 533 Mio. Euro Umsatz - Tendenz steigend. Viele der SicherheitsmitarbeiterInnen kommen ursprünglich aus anderen Berufen und erhalten in dieser Branche eine neue berufliche Chance. Die KV-Löhne im Bewachungsgewerbe liegen zwischen 8,67 und 10,83 Euro pro Stunde – damit sind die 1.500 Euro Mindestlohn im Bewachungsgewerbe flächendeckend Standard.

Die Sicherheitsbranche kämpft trotzdem mit Problemen, erläutert Wiesinger. „Einerseits mit reinen Preisausschreibungen und andererseits mit vielen ‚schwarzen Schafen‘. Reine Billigstpreise gingen immer auf Kosten des Personals und der Qualität und führten automatisch zu Social engineering bzw. ‚kreativer Entlohnung‘ abseits der gesetzlichen Vorgaben. Es gebe z.B. öffentliche Ausschreibungen, bei denen SicherheitsmitarbeiterInnen zu Stundensätzen von 15 bis 16 Euro angeboten werden. „Das kann schlichtweg nicht kostendeckend sein, wenn das Unternehmen die Beschäftigten auch ordnungsgemäß abrechnet und Sozialversicherung bezahlt. Denn der niedrigste KV-Lohn liegt bei 8,67 Euro, was zusammen mit etwa 90 Prozent Lohnnebenkosten knapp 16,50 Euro ergibt“, rechnet der Securitas-Geschäftsführer vor. Und dazu kämen noch Kosten für u.a. Ersatzgestellung, Uniform, Schulung, Ausrüstung, Dienstplanung, Lohnverrechnung, Gemeinkosten, Deckungsbeitrag, so Wiesinger.

In der Praxis finde man in Österreich zudem VeranstaltungsordnerInnen, die nicht sicherheitsüberprüft und der deutschen Sprache nicht mächtig seien, sowie auch bewaffnete Security im öffentlichen Raum, die über keine entsprechende Ausbildung verfüge. Zudem habe man es auch mit SicherheitsmitarbeiterInnen, die nicht nach der österreichischen Lohnordnung bezahlt werden und nicht angemeldet sind, zu tun. Diese würden dann auf Basis von rechtlich nicht zulässigen Werkverträgen entlohnt. „Dem ist natürlich entgegenzuhalten, dass die Mehrheit der Sicherheitsunternehmen in Österreich sehr professionelle Anbieter sind – und zwar unabhängig von ihren Unternehmensgrößen“, betont Branchenexperte Wiesinger.

VSÖ kämpft für bessere Ausbildungs- und Qualitätsstandards

Markant für das Bewachungsgewerbe sei, dass es in der Gewerbeordnung keine Vorgaben zur Ausbildung der MitarbeiterInnen gebe – diese müssten lediglich „geeignet“ sein, so Wiesinger weiter. „Der VSÖ kämpft daher seit Jahrzehnten für  eine Verbesserung der Qualität der Bewachungsdienstleistung. Qualitätssteigerungen gelingen durch aktuell freiwillige Ausbildung, da weder von Gewerbeordnung noch Gesetz eine solche gefordert wird. In allen VSÖ-Mitgliedsbetrieben ist das selbstverständlich“, betont Wiesinger.  Die Qualität im Gewerbe werde zudem durch stetes Lobbying für eine gesetzlich oder gewerberechtlich vorgeschriebene Mindestausbildung aller SicherheitsmitarbeiterInnen für regelmäßige Sicherheitsüberprüfungen, Ausweistrageplicht und Kontrollen derselben zu steigern versucht. „Beispielsweise wurden 2016 von den VSÖ-Bewachungsbetrieben mehr als 1.500 neue Beschäftigte aufgenommen sowie extern und intern geschult“, konkretisiert der Securitas-Geschäftsführer.

In einer vom Kuratorium Sicheres Österreich (KSÖ) in Auftrag gegebenen Umfrage spricht sich die Mehrheit der befragten Auftraggeber von Bewachungsunternehmen ganz klar für eine entsprechende Ausbildung des Sicherheitspersonals aus. „Ausbildungen und Schulungen machen aber nur dann Sinn, wenn sie auch von den Auftraggebern gefordert und bewertet werden können“, so Wiesinger. Das treffe auch auf je nach Auftrag unterschiedliche weitere Qualitätskriterien zu wie Implementierungs- und Umsetzungskonzepte, nachweisliche Zertifizierungen (ISO, Schulungen...), Verfügbarkeit einer Notrufzentrale (zertifiziert, nicht zertifiziert), Responsekapazitäten und für einen Auftrag verfügbare Personalressourcen, Erfahrung mit gleichen/ähnlichen Aufträgen (Referenzaufträge), Erfahrung der Führungskräfte, vorhandene Versicherungsdeckung.

„Der VSÖ fordert daher das Bestbieterprinzip für Ausschreibungen von Bewachungsdienstleistungen und vertritt damit die Meinung der Mehrheit der die Bewachungsbetriebe vertretenden Fachgruppen der Landeswirtschaftskammern“, bekräftigt Wiesinger. 

Mindestlohn für 124.000 auf Schiene – Sozialpartnerschaft „äußerst lebendig“

„Nicht nur dass die Anzahl der Betriebe wächst, die Sicherheitsbranche ist auch ein wahrer Arbeitsplatzmotor. Wir unterstützen den VSÖ in seinen Bemühungen um Ausbildungs- und Qualitätsverbesserungen. Erfreulich ist auch, dass wir bereits den Mindestlohn von 1.500 Euro brutto im Monat in partnerschaftlichem Einvernehmen mit den Arbeitgebern realisieren konnten“, so Hebenstreit weiter.

„Die Sozialpartnerschaft ist äußerst lebendig. Das dürfte im Finanzministerium verschlafen worden sein. Alleine der Gewerkschaft vida gelang es in den letzten Monaten neben dem Bewachungsgewerbe 1.500 Euro Mindestlohn auch für die Beschäftigten u.a. in den Bereichen Konfessionelle Alten- und Pflegeheime, Ordensspitäler Österreichs, Schädlingsbekämpfung, Speditions- und Lagereibetriebe, Garagen-, Tankstellen,- und Serviceunternehmungen, Apothekenhilfspersonal, Hotel- und Gastgewerbe, FriseurInnen in konstruktiven Verhandlungen mit den Arbeitgebern zu vereinbaren. Seit Ende Jänner haben wir in mehr als der Hälfte der 18 betroffenen vida-Kollektivverträge 1.500 Euro Mindestlohn bereits erreicht oder mit konkretem Termin vereinbart. Mindestens 124.000 Beschäftigten kommt das zugute.“, erklärt der vida-Vorsitzende: „Wir kommen damit unserem Ziel, ein Mindesteinkommen für ArbeitnehmerInnen, von dem man in Würde leben kann, immer näher – auch im Dienstleistungssektor.“

„Allen neoliberalen Unkenrufen zum Trotz hat sich der Mindestlohn in Deutschland schon zum wahren Hit entwickelt“, freut sich Hebenstreit. Der von der neokonservativen Anti-Mindestlohnlobby prognostizierte Jobabbau blieb aus, die Zuwanderung aus Deutschland auf den österreichischen Arbeitsmarkt sei gesunken. Der Mindestlohn habe weder zu einem Konjunktur- noch zu einem Beschäftigungseinbruch geführt. Wirtschaft und Beschäftigung in Deutschland wachsen vielmehr und die Zahl prekärer Minijobs sei zurückgegangen. Die Motivation und Zufriedenheit der Beschäftigten sei in Deutschland messbar durch den Mindestlohn angestiegen, erläutert der vida-Vorsitzende und ist zuversichtlich, dass der Mindestlohn „auch in Österreich nur positive Auswirkungen haben wird“.